Dorfkirche Riedebeck

Dorfkirche Riedebeck. Staffelung der vierteiligen Anlage von Südost
Dorfkirche Riedebeck. Staffelung der vierteiligen Anlage von Südost

Diese komplette Anlage einer spätromanischen Feldsteinkirche ist eine der beeindruckendsten Dorfkirchen im ganzen Land Brandenburg. Zu ihrer Entstehungszeit gehörte sie allerdings zur Mark Lausitz (s. Kloster Dobrilugk), einem Gebiet, das sich in Bezug auf Besiedlung, Kolonisation und Christianisierung ähnlich wie die Mark Brandenburg entwickelte. Ins Auge fällt das gut erhaltene Gesamtensemble mit Kirchhofsmauer, Kirchhofsportal und der schönen Staffelung der Baukörper Apsis, Chor, Kirchenschiff und querrechteckigem Westturm.

Dorfkirche Riedebeck Westriegel, Kirchhofsmauer mit Portal
Westriegel, Kirchhofsmauer mit Portal
Dorfkirche Riedebeck Zweifach abgetrepptes, leicht spitzbogiges Westportal
Dreifach gestuftes, leicht spitzbogiges Westportal

Baumaterial Raseneisenstein

Aber auch weitere bemerkenswerte Details heben Riedebeck aus der Fülle der spätromanischen Dorfkirchen heraus: Am Auffälligsten ist neben der Verwendung der üblichen vielfarbigen Feldsteine der Einsatz von schwarzem Raseneisenstein als Gestaltungsmittel zur Gliederung der Gebäudekanten, der Umrahmungen der Fenster und der Herstellung eines Schmuckfrieses unterhalb des Apsisdachs.

Mauerwerk der Nordwand des Schiffes
Mauerwerk der Nordwand des Schiffes aus buntem Feldstein
Raseneisenstein, Priesterpforte
Raseneisenstein, Priesterpforte

Raseneisenstein ist ein durch Kristallisation verfestigtes Konglomerat aus Sand, Schluff, Ton und Eisenoxid in wechselnden Mengenanteilen. Es entstand in Norddeutschland beim Abschmelzen des Eises der letzten Eiszeit vorwiegend in Sandflächen, die in Flussniederungen von eisenhaltigem Grundwasser durchströmt wurden. Das im Wasser gelöste Eisen wurde an der Oberfläche durch Kontakt mit Sauerstoff ausgefällt und kristallisierte zusammen mit dem Sand und Ton im Laufe der Zeit zu Raseneisenstein. Dieser hat zumeist eine braune Färbung, die bei hohem Mangangehalt ins Schwarze übergeht.

Dorfkirche Riedebeck Apsis mit originalen Fenstern und Rundbogenfries aus Raseneisenstein
Apsis mit originalen Fenstern und Rundbogenfries aus Raseneisenstein

Festere Varietäten wurden als Baustein verwendet und lassen sich ähnlich dem Sandstein und damit wesentlich leichter als kristalline Findlinge bearbeiten. So wurden Raseneisensteine gern für plastischen Gebäudeschmuck benutzt. Den Namen bekam das Gestein von seinem häufigsten Fundort unter Rasenflächen. Im metallarmen Mittelalter diente das Erz auch als Rohstoff für die Eisengewinnung, obwohl die Metallausbeute doch eher gering war. Die beim Verhütten anfallenden Schlacken des Raseneisensteins benutzte man wegen ihrer Festigkeit wieder gern als Baumaterial, musste dabei aber die unschöne, großporige Oberflächenkonsistenz des Werkstoffs in Kauf nehmen.

Innenraum

Betritt man die Dorfkirche Riedebeck im Westen durch ein dreifach gestuftes Spitzbogenportal, erreicht man zunächst das Turminnere. Ins Kirchenschiff gelangt man über ein weiteres (zweifach gestuftes) Portal. Diese Separierung des Turmraumes könnte ein Hinweis darauf sein, dass er in Notzeiten als ein leicht zu verteidigender Zufluchtsort benutzt wurde. Eine Wandöffnung zum Einlegen des so genannten Wehrbalkens zur Verbarrikadierung des Turms ist allerdings nicht zu finden.

Zweites, zweifach gestuftes Westportal
Zweites, zweifach gestuftes Westportal

Das Innere besticht durch klare Formen: das rechteckige, durch eine flache Holzdecke geschlossene und mit je drei Fenstern auf jeder Seite erhellte Kirchenschiff, das durch den so genannten Triumphbogen vom annähernd quadratischen Chor getrennt wird. Schon im Schiff erkennt man ausgedehnte Spuren mittelalterlicher Wandmalerei, die im Chor und der Apsis noch vollständiger vorhanden sind.

Der Chor, ebenso wie das Schiff mit flacher Balkendecke, besitzt noch seinen mittelalterlichen Fußboden aus quadratischen Tonfliesen, in denen man eine Vielzahl von Einritzungen – unter anderem einen gut erkennbaren Adler – wahrnehmen kann, sowie ein eindrucksvolles, altertümlich aussehendes Taufbecken, wohl aus der Entstehungszeit der Kirche.

Dorfkirche Riedebeck. Quadratische Bodenfliesen mit eingeritztem Adler.
Quadratische Bodenfliesen mit eingeritztem Adler.
Schiff, Blick nach Osten zum Altar
Schiff, Blick nach Osten zum Altar
Chor mit Wandmalereien
Chor mit Wandmalereien und Schiff mit Hauptaltar, der den Triumphbogen zustellt

Die Apsis, schön gegliedert durch den bemalten Apsisbogen, zeigt in ihrer Gewölbemalerei Christus als Pantokrator und darunter zwei Heilige. Sie besitzt noch ihre originalen romanischen Rundbogenfenster, in deren Gewände sich schöne Rankenmalereien erhalten  haben. Auf der linken, nördlichen Seite ist eine gotische Sakramentsnische in die Wand eingelassen. Sie diente im Mittelalter zur Aufbewahrung der geweihten Hostien.

Dorfkirche Riedebeck Spätgotische Wandmalereien an Apsis und Chorbogen.
Darstellung des Christus Pantokrator. Spätgotische Gewölbemalerei.
Dorfkirche Riedebeck Details der Malereien in der Laibung des nördlichen Apsisfensters.
Rankenmalereien in der Laibung des nördlichen Apsisfensters.
Dorfkirche Riedebeck Gotische Sakramentsnische und Weihekreuz.
Gotische Sakramentsnische und Weihekreuz.

Restaurierung

Die verblüffende stilistische Einheitlichkeit der Riedebecker Kirche ist allerdings nicht der Originalzustand, sondern rührt von einer „purifizierenden“ Restaurierung der 1960er Jahre her, bei der das barocke Interieur herausgenommen, die Fenster auf ihre Originalmaße zurückgeführt und die flachen Holzdecken eingezogen wurden. Die Vermauerung des Triumphbogens, die aus Chor und Apsis einen separaten Raum gemacht hatte, wurde entfernt. Unter der Tünche der Wände entdeckte man spätgotische Wandmalereien, die man mit Hilfe von Umzeichnungen wieder erkennbar machte. Durch all diese Maßnahmen wurde ein beeindruckender mittelalterlicher Kirchenraum zurückgewonnen. Leider bezog man bei den Überlegungen zur Restaurierung die Gemeinde nicht mit ein, die aufgrund des leer geräumten Kirchenschiffs und des nüchternen neuen Erscheinungsbildes sich lange Zeit nicht mehr mit ihrer Kirche identifizieren konnte.

Zur Zeit der Wende war das Dach bereits wieder marode und das einzig verbliebene Kunstwerk, der wertvolle spätgotische Schnitzaltar, wurde zerlegt und in Folie verpackt. Erst im Jahr 2002 konnte er gereinigt, konserviert und wiederaufgebaut werden, nachdem auch die Dächer neu gedeckt, der Kirchenraum trockengelegt und die Malereien restauriert waren. Der Altar steht jetzt etwas unglücklich unter dem Triumphbogen und stört den Blick in die harmonische Abfolge von Schiff, Chor und Apsis. Man sollte den Mut aufbringen, die Wiedergewinnung des mittelalterlichen Raumgefüges der Riedebecker Kirche konsequent zu Ende zu bringen: durch eine Änderung der hellen, naturholzfarbigen Fassung der Decken in Schiff und Chor, durch die Aufstellung  von Kirchenbänken mit Mittelgang und die Verlegung des Schnitzaltares an eine Stelle, die seine Funktion berücksichtigt und seine Würde zum Ausdruck bringt, ohne den Raumeindruck zu stören.

Äußeres

Mit Raseneisenstein verkleidete Gemeindepforte in der Südwand des Schiffes
Mit Raseneisenstein verkleidete Gemeindepforte in der Südwand des Schiffes
Priesterpforte, Chor Südseite
Priesterpforte, Chor Südseite

Ein Rundgang außen um die Dorfkirche Riedebeck offenbart weitere schöne Details: Zwei zusätzliche Portale an der Südseite, ein Gemeindeportal ins Kirchenschiff und eine „Pfaffenpforte“ in den Chor, die schöne Musterung der Wände durch verschiedenfarbige Feldsteine – eingefasst durch akkurate Gebäudekanten aus Raseneisenstein, ebensolche Einfassungen der rundbogigen Fenster, von denen die im Chor, in der Apsis und eines an der Nordwand des Schiffes noch original sind und den Rundbogenfries aus Raseneisenstein an der Oberseite der Apsis.

Chor Nordwand mit originalem Fenster. Gebäudekanten aus Raseneisenstein
Chor Nordwand mit originalem Fenster. Gebäudekanten aus Raseneisenstein
Originales, mit Raseneisenstein verkleidetes Rundbogenfenster in der Nordwand des Schiffes
Originales, mit Raseneisenstein verkleidetes Rundbogenfenster in der Nordwand des Schiffes

Der Turm zeigt in seinem Glockengeschoss durch Säulchen unterteilte und von Raseneisenstein eingefasste spitzbogige Schallöffnungen, die bereits in die Zeit der Gotik verweisen. Die verputzten seitlichen Giebel des Turmes lassen vermuten, dass sie nach einer Zerstörung des Turmdachs erneuert wurden. Da genaue Baudaten für die Riedebecker Kirche nicht vorliegen, muss man sie, wie viele andere spätromanische Dorfkirchen aufgrund stilistischer Befunde in die Zeit von 1200 bis 1250 datieren.

Dorfkirche Riedebeck Frühgotische Klangarkaden in der Westwand des Turms
Frühgotische Klangarkaden in der Westwand des Turms

Infobox


Adresse

Empfohlene Route

Südliche Route

Offizielle Website

Evangelisches Pfarramt Langengrassau


Förderkreis Alte Kirchen Berlin-Brandenburg e.V.

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