Zitadelle Spandau mit Juliusturm

Zitadelle Spandau mit Juliusturm Luftbild Aufnahme von Südost
Zitadelle Spandau mit Juliusturm und Palas. Luftbildaufnahme von Südost. Von A.Savin (Wikimedia Commons · WikiPhotoSpace) – Eigenes Werk, FAL

Bereits im 11. Jahrhundert existierte auf der heutigen Zitadellen-Insel eine befestigte slawische Siedlung, die den Havelübergang bewachte. Ihre ovale Form wurde beim ersten Burgbau der Askanier beibehalten, ebenso die Bauweise als Holz–Erde-Konstruktion. Wegen der großen Bedeutung des strategisch wichtigen Flussüberganges gaben die Askanier um 1200 die Siedlung auf dem Burggelände auf und siedelten die Bevölkerung in den Bereich der heutigen Altstadt um. Dort war, ebenfalls am Ende des 12. Jahrhunderts, um die Nikolaikirche eine Niederlassung deutscher Kaufleute entstanden, das heutige Spandau. Die planmäßig errichtete Anlage entwickelte sich zu einem florierenden Marktstandort, dem die Markgrafen Johann I. und Otto III. schließlich 1232 das Stadtrecht und andere wichtige Privilegien verliehen.

Askanische Vogtei

Die Burganlage auf dem Zitadellengelände wurde ausgebaut und Sitz der askanischen Vogtei. Die Erwähnung eines Everardus (Eberhard), „advocatus spandove“, als Zeuge in einer markgräflichen Urkunde von 1197 belegt, dass die Burg Spandau von Anfang an ein bedeutender Sitz der askanischen Landesverwaltung im Havelland war. Bei Renovierungs- und Ausgrabungsarbeiten auf der Zitadelle kamen Teile der Holz-Erde-Befestigung der slawischen Burganlage und beim Juliusturm Feldsteinmauern der Askanierburg und aus der Folgezeit zum Vorschein. Sie sind im Archäologischen Fenster zu besichtigen:

Archäologisches Fenster

Im Archäologischen Fenster wurden die Fundamente der Burg Spandau und somit mehr als 800 Jahre Baugeschichte sichtbar gemacht.

Der – ebenfalls romanische – Bergfried ist dagegen oberhalb seines Sockels aus Backstein erbaut. Das Baumaterial dürfte den inzwischen existierenden Bauhütten in Brandenburg, Lehnin oder Jerichow entstammen. Mit seinem auf halber Höhe liegenden Eingang und dem ehemals mit Kamin und Aborterker ausgestatteten Hauptraum sowie dem gewölbten Raum im Erdgeschoss (Verlies?) entspricht er seinen Gegenstücken in Belzig, Ziesar, Wiesenburg, Rabenstein und Putlitz. Sein heutiges Erscheinungsbild verdankt der Turm Karl Friedrich Schinkel, der ihn 1836 restaurierte und den pseudo-mittelalterlichen Zinnenkranz aufsetzte. Nach Jahrhunderte langer „Karriere“ als Gefängnis wurde er nach dem preußisch/französischen Krieg 1871 sogar sprichwörtlich: Man bestimmte den Gewölberaum zum Aufbewahrungsort der französischen Reparationszahlungen und als man diese nie antastete, bürgerte sich die Bezeichnung „Juliusturm“ für gehortetes Geld ein. Die massive Tresortür ist noch erhalten und dient heute als Eingang. Die dem besiegten Gegner aufgebürdeten Reparationen fielen den Deutschen schon 1918 wieder „auf die Füße“, als die Alliierten (und besonders die Franzosen) die gleiche Maßnahme über Deutschland verhängten.

Zitadelle Spandau Juliusturm und Palas
Juliusturm mit Feldsteinsockel und gotischer Palas
Detail am Fuß des Juliusturms
Feldsteinsockel des Juliusturms.
Juliusturm Wendeltreppe
Juliusturm: Gewölberaum mit neuzeitlicher Wendeltreppe
Zitadelle Spandau Juliusturm Eingang
Heutiger Eingang in den Juliusturm
Ornament im Stil des Zahnfrieses am Juliusturm
Merkwürdiges Ornament im Stil des Deutschen Bandes am Juliusturm
Juliusturm Tresortür am Turmeingang
Juliusturm: Dicke Tresortür am neuzeitlichen Turmeingang

Weiterer Ausbau und die Jüdischen Grabsteine

Die Burg Spandau wurde im Lauf der Jahrhunderte immer wieder erweitert und ausgebaut. So kam in der Zeit zwischen 1450 und 1470 der stattliche heutige Palas hinzu. In seinen Außenmauern und in den Fundamenten der Zitadelle verbaute man 30 Jahre später Grabsteine des auf die Zeit der Romanik zurück gehenden, 1510 verwüsteten Spandauer jüdischen Friedhofs, dessen Lage heute nicht mehr bekannt ist. Die ca. 70 Grabsteine sind datiert von 1244 bis 1474 und bestehen aus roh zugehauenen Findlingen, die man nur an der Vorderseite glättete um die Inschrift einzumeißeln. Für den genannten Zeitraum ist belegt, dass auch Berliner Juden in Spandau bestattet wurden. Da ein mittelalterlicher jüdischer Friedhof (ebenso wie eine Synagoge aus der entsprechenden Zeit) in Berlin archäologisch bisher nicht nachgewiesen werden konnten, liegt die Vermutung nahe, dass die Berliner Gemeinde diese Einrichtungen in Spandau mit benutzte, da sie aus deren Gemeinschaft wahrscheinlich auch hervor gegangen war. (Spandau ist wesentlich älter als Berlin). Die jüdischen Gemeinden von Berlin und Spandau sind ausweislich der Jahreszahlen auf den Grabsteinen offensichtlich älter als die urkundlichen Ersterwähnungen von Juden in Spandau (1307) und Berlin (1295) suggerieren. Den Judenfriedhof verwüsteten die Spandauer Bürger vermutlich im Pogrom nach dem berüchtigten Berliner „Hostienschändungsprozess“ von 1510, der 50 Angeklagte das Leben kostete und alle Brandenburger Juden aus dem Land vertrieb. Die frühe Datierung des Grabsteins von 1244 unterstreicht, dass quasi von Anfang an auch Juden zu den Teilnehmern der Ostbesiedlung gehörten. Unter den in die Grabsteine eingemeißelten Namen finden sich auch sefardische, ein Hinweis auf die Herkunft mancher Brandenburger Juden aus dem spanisch/portugiesischen Raum sowie einige slawische Frauennamen.

Zitadelle Spandau Archäologisches Fenster Mittelalterliche jüdische Grabsteine
Mittelalterliche jüdische Grabsteine, rechts der Stein von 1244.

Die Burg Spandau wurde von 1559 – 1594 durch die italienischen Renaissance-Baumeister Francesco Chiaramella de Gandino und Rocco de Linari zur brandenburgischen Landesfestung ausgebaut und ist heute das bedeutendste Zeugnis italienischer Festungsbaukunst nördlich der Alpen. Als Zitadelle wurde sie bis 1945 militärisch genutzt. Heute ist sie ein pittoreskes Sammelsurium von Gebäuden aller Stilepochen.

Zitadellen-Wirtschaft
Zitadellen-Wirtschaft zwischen Torhaus und Palas (rechts) mit dem Feldsteinsockel, in dem die jüdischen Grabsteine verbaut waren..

Infobox


Adresse

Empfohlene Route

Westliche Route

Offizielle Website

Zitadelle Spandau