Zwischen Ziesar und Wusterwitz liegt Rogäsen, ehemals Sitz eines Ritterguts mit Herrenhaus und spätromanischer Kirche. Der aus dem Slawischen stammende Name bezeichnet einen Ort, „an dem Schilf wächst“ und kommt in abgewandelter Form mehrfach in unserer Region vor (gleich zweimal Ragösen, einmal Roggosen). Die Gutsgebäude befinden sich am Rande des Dorfes und präsentierten sich bis vor Kurzem in einem traurigen Zustand von über 50-jähriger Vernachlässigung, derzeit wird das Herrenhaus allerdings saniert (2019).
Ruine
Die Rogäsener Kirche, ursprünglich eine vierteilige Anlage aus der Zeit um (oder vor) 1200 war lange Zeit nur noch eine Ruine ohne Dach. 2015 begann der Wiederaufbau, der 2016 abgeschlossen werden konnte. Der wechselvolle Verlauf der Geschichte hat vom Original nur Teile des Chors, das Schiff und Teile des Turms übrig gelassen.
Doch auch in ruinösem Zustand war die Kirche sehr sehenswert, weil dabei die vielen Veränderungen über die Jahrhunderte, aber auch konstruktive Details, umso deutlicher ablesbar waren. Das betraf vor allem das Mauergefüge, wo man stellenweise ins Innere des Mauerwerks hineingucken und den Grad der Bearbeitung der Feldsteine erkennen konnte. So beispielsweise das charakteristische Mauerwerk der Frühzeit, mit nur an der Außenseite bearbeiteten Steinen.
Der Westturm, den man – wie so viele andere auch – erst nach Vollendung der Kirche errichtete, stürzte im Mittelalter ein und wurde, zwar unter Verwendung des alten Baumaterials, aber in sehr regelloser Mauerung, wiederaufgebaut. Bei dieser Gelegenheit setzte man den ungewöhnlich großen Rundbogen zu, der vom Turmraum ins Schiff führte. Die Vermauerung ist sowohl im Schiff als auch vom Turminnern aus noch gut erkennbar.
Die ältesten Bauteile
Der älteste erhaltene Bauteil, der Chor, besteht aus unregelmäßigen, nur von außen geglätteten Feldsteinen, die aber bereits in einzelnen vertikalen Lagen verlegt sind. Das Schiff und die unteren Reste des Westturms bestehen dagegen aus sauber gefügtem, ebenfalls lagigem Quaderwerk. Unter Berücksichtigung der ausschließlich in Rundbogenform vorhandenen alten Tür- und Fensteröffnungen kann man aus diesem Befund auf eine Entstehungszeit des Chors um 1200 schließen, während das Schiff und die originalen Reste des Turms in das erste Drittel des 13. Jh. gehören.
Priesterpforte und zugesetztes Fenster im Chor, Südseite Gemeindepforte und zugesetztes Fenster im Schiff, Südseite Rundbogenfenster im Chor Nordseite Rundbogenfenster im Schiff Nordseite Sorgfältige Quaderung des Mauerwerks am Chor der Südseite
Interessant und auch selten ist die Herstellung des runden Bogens an den Chorfenstern ohne keilförmig zugehauene Steine, wohl auch ein Zeichen für die frühe Erbauungszeit. Wahrscheinlich wurden Chor und Apsis schon vorab für gottesdienstliche Zwecke genutzt, worauf der Stilwechsel im Bereich des Kirchenschiffs hinweist. Dazu musste man allerdings die Öffnung des Chors zum Schiff erst mit einer Holz- oder Fachwerkwand schließen.
Neuzeitliche Veränderungen
Im 17. Jh. verlängerte man den Chor auf das doppelte Maß, um Platz für je eine Patronats- und Gesindeloge zu gewinnen, ihre beiden Außentreppen am Chor sind heute noch zu erkennen. Beim Umbau wurden der Triumphbogen und die spätromanische Apsis abgerissen, den Neubau aus Ziegelsteinen schloss man zunächst mit einer geraden Ostwand ab, bis Ende des 19. Jh. eine neoromanische Apsis eingezogen wurde. Bei dieser Gelegenheit wurde auch der Turm weiter ausgebaut und 1920 erhöht. In dieser Form blieb die Kirche bis 1978 erhalten. Als Patronatskirche war sie bis 1945 traditionell vom Rittergutsbesitzer (zuletzt die Familie v. Wartensleben) unterhalten worden. Durch Enteignung und Vertreibung aller Gutsbesitzer nach dem Krieg entfiel jedoch das Patronat und die Kirche geriet immer mehr in Verfall.
Ein Schaden am Dach – vielleicht ein Teileinsturz – wurde 1978 zum Anlass genommen, das komplette Dach abzubauen, die Kircheneinrichtung herauszureißen und den Rest – immerhin ein Zeugnis 800-jähriger Geschichte – ungeschützt dem endgültigen Verfall anheim zu geben. Erst nach der Wende 1989 gab es Bemühungen, diese Sünden der Vergangenheit wieder gutzumachen: 1994 wurde der Turm saniert und neu gedeckt, auch erwog man damals schon die Wiedererrichtung eines Dachstuhls über dem gesamten Kirchenraum. Zwischen 2015 und 2016 wurde die Ruine restauriert, ein neuer Fußboden verlegt und die Kirche sparsam, aber stimmig neu eingerichtet. Jetzt präsentiert sie sich als kleines Juwel und mit der Restaurierung der Gutsgebäude wird ein bedeutsames historisches Ensemble wieder entstehen.
Um von Rogäsen nach Boecke zu gelangen, muss man die Straße nach Ziesar wieder zurückfahren. Die auf dem Weg liegende Feldsteinkirche von Bücknitz ist nur ein Wiederaufbau des 19. Jh., der im Innern befindliche hochromanische Taufstein eine Fälschung in neoromanischem Stil.