Dieses hoch bedeutende Kloster ist quasi die Keimzelle des Landesausbaus der Mark Brandenburg, die zunächst den Namen Nordmark trug und zu der es von Anfang an gehörte. Dass Jerichow heute in Sachsen-Anhalt liegt, ist die Folge einer preußischen Gebietsreform des 19. Jh. Aus historischen Gründen kann es aber in der Beschreibung der romanischen Monumente Brandenburgs unter keinen Umständen fehlen.
Der Name Jerichow stammt aus dem Slawischen und hat nichts mit dem Ort im Heiligen Land zu tun. Streng genommen ist Jerichow gar kein Kloster, denn seine Bewohner waren Chorherren, also adlige, studierte Theologen. Sie lebten zwar nach der Regel des heiligen Augustinus, hatten aber kein Mönchsgelübde abgelegt. Man spricht also besser von einem Chorherrenstift. Dieser Chorherren-Orden war vom heiligen Norbert von Xanten in Prémontré in Frankreich gegründet worden und bekam vom Gründungsort seinen Namen. Ein besonderes Anliegen der Prämonstratenser war die christliche Mission, deshalb waren sie besonders interessiert an der Expansion in die größtenteils heidnischen Slawengebiete östlich der Elbe.
Inhalt
Landesausbau durch die Prämonstratenser
Der Ordensgründer wurde 1126 Erzbischof von Magdeburg und sorgte dafür, dass das dortige Liebfrauenkloster von Prämonstratensern übernommen wurde. Es begleitete von nun an den gesamten Landesausbau im Osten. Es bestückte die Domstifte in Brandenburg und Havelberg sowie die Chorherrenstifte in Leitzkau und Jerichow mit Klerikern. Gestiftet (d.h. mit den nötigen Geldmitteln und Grundbesitz ausgestattet) wurde Jerichow 1144 von den Grafen v. Stade. Diese hatten auch den Posten des Bremer Erzbischofs inne und setzten sich sehr für die Heidenmission im Norden und Osten ein. Die Vogtei, d.h. die weltliche Schutzherrschaft über das Stift, übernahm Albrecht der Bär. Er war schon 1139 mit der Nordmark belehnt worden, in der sich Jerichow befand.
Die Kleriker ließen sich zuerst im Marktzentrum von Jerichow nieder. Bald aber waren sie des weltlichen Treibens dort überdrüssig und verlegten das Stift 1149 an die jetzige Stelle. Bis 1172 entstand dort im 1. Bauabschnitt der Ziegelbau der Stiftskirche als dreischiffige, kreuzförmige Basilika auf einem Sockel aus Bruchstein sowie der Ostflügel der Klausur. Im nächsten Abschnitt bis 1200 baute man nach italienischem Vorbild (wie im Dom zu Brandenburg) eine Krypta ein und darüber den Hohen Chor. Es folgten die Nebenchöre, die Erweiterung des Langhauses nach Westen mit den Turm-Untergeschossen und der Weiterbau der Stiftsgebäude. Mit der dritten Bauphase vollendete man 1240 das Ensemble: Errichtung von Kreuzgang und Sommerrefektorium sowie die Weiterführung der Westtürme (endgültig fertiggestellt erst im 15. Jh.).
Nachreformatorische Zeit
Gegen Ende des Mittelalters setzte der Verfall ein. Im Zuge der Lutherischen Reformation wurde 1552 das Klosterleben aufgehoben, die Stiftsgebäude und Teile der Kirche erfuhren eine wirtschaftliche Nutzung. Im 30-jährigen Krieg gab es eine kurzzeitige Wiederbesetzung des Klosters, aber auch die Belagerung und Plünderung durch schwedische Truppen und schließlich die endgültige Aufhebung des klösterlichen Lebens. Die Stiftsgebäude dienten nun als Domäne. Die Stiftskirche wurde 1685 durch den Großen Kurfürsten für eine neu gegründete Reformierte Kirchengemeinde (calvinistische Protestanten, denen auch der Landesherr angehörte) wiederhergestellt. Der erste preußische Denkmalpfleger Ferdinand v. Quast sorgte 1853 – 1857 für eine stilgerechte Restaurierung der Klosterkirche. Seitdem erfolgten drei weitere Restaurierungen sowie 2004 die Gründung der „Stiftung Kloster Jerichow“. Jetzt ist Jerichow eine wichtige Etappe an der Straße der Romanik in Sachsen-Anhalt.
Die romanische Stiftskirche St. Marien und St. Nikolai
Außenansichten
Die Kirche steht relativ frei innerhalb der Klostermauern und macht von außen einen starken Eindruck durch die zweitürmige Westfront, die steil aus dem Baukomplex emporragt. Auf ihrer Fassade kann man die verschiedenen Bauphasen von der Romanik zur Gotik gut ablesen. Die einzelnen Geschosse weisen im Abschluss verschiedene Schmuckfriese auf, vom Rundbogen- über den Kreuzbogenfries bis zum gotischen Rautenfries unter den Turmhelmen. Auch die Ostseite mit den drei Apsiden ist mit mit reicher Ornamentik versehen, eine vertikale Halbsäulengliederung an der Hauptapsis, horizontale Rund- und Kreuzbogenfriese als Abschluss der Apsiden und ein schräger Kreuzbogenfries am Chorgiebel. Die frei stehende Nordseite ist an den Seitenschiffen und dem Querhaus durch Lisenen vertikal gegliedert, horizontal und in der Giebelschräge verlaufen Schmuckfriese, die im Seitenschiff durch gotisch veränderte Fenster unterbrochen werden. Von dieser Seite kann man den Bruchsteinsockel des Gebäudes besonders gut erkennen.
Inneres
Betritt man das schlichte Innere der Kirche, ist man überwältigt von der Wirkung der unverputzten Ziegelwände und der massiven, gemauerten Rundpfeiler. Der großartige Eindruck des Mauerwerks wird dadurch erzeugt, dass die Steine mit einer roten Ziegelschlämme angestrichen und anschließend die Fugen weiß ausgemalt wurden. Der westliche Bereich mit Empore und einem viereckigen Pfeilerpaar dürfte den Bereich der Kirche anzeigen, der für die Laien vorgesehen war, in seiner Mitte steht der romanische Taufstein.
Die Schmuckelemente aus behauenem Kalkstein sind sparsam eingesetzt und stammen, wie auch in Brandenburg, aus Magdeburg. Einfache Flachdecken überspannen die Kirchenschiffe, eine Reminiszenz an die Reformorden, die jeden Prunk in der Kirche vermeiden wollten. Es existieren nur noch wenige originale Ausstattungsstücke, darunter der Taufstein und die Reste des Osterleuchters. Einen großartigen Eindruck macht der Hohe Chor mit den drei Ostfenstern, die eine Fülle von Licht hereinlassen. Seine Abschlussbrüstung zum Schiff ist das sogenannte lectorium, von hier wurde zum Gottesdienst die Epistel verlesen.
In späterer Zeit verstärkten die Mönche die Trennung zur Gemeinde durch den blickdichten Ausbau des lectoriums zur Chorschranke, dem Lettner – in Havelberg kann man das eindrucksvoll sehen. (Kurios: Der gläubige Laie des Mittelalters konnte den Gottesdienst also weder sehen, noch verstehen, denn er wurde auf Lateinisch abgehalten). Die unter dem Hohen Chor liegende Krypta mit ihrem hohen Kreuzgewölbe, die sich in zwei Bögen zum Schiff hin öffnet, wird durch drei Apsisfenster belichtet. Hier befinden sich besonders viele der aus Magdeburg gesandten Schmuckteile: Säulen, Basen und Kapitelle.
Osterleuchter
Romanischer Fuß
Hoher Chor
Krypta
Klausur
Die ehemalige Klausur ist bis auf einen abgerissenen Kreuzgangsflügel nahezu komplett und vermittelt einen guten Eindruck von der mittelalterlichen klösterlichen Lebensweise. Sie ermöglichte den hier Lebenden ein autarkes, aber einfaches und karges Leben. Refektorium, Dormitorium, Kapitelsaal, Skriptorium und viele sonstige Funktionsräume sind erhalten geblieben. Ohne jeden Zweifel ist diese Klosteranlage ein Juwel der europäischen Romanik.
Galerie
Außenbereich und Klostergarten
Das Kloster Jerichow verfügt über einen großen Außenbereich. Hier finden sich der beschauliche Ruhegarten am Südflügel der Klausur, der Klostergarten mit verschiedenen Themengärten, das einladende Klostercafé mit „Küchengarten“, das Backsteinmuseum und die Klosterbrennerei.