Dom St. Marien, Havelberg

Dom St. Marien zu Havelberg mit Klausurgebäuden
Dom St. Marien mit Klausurgebäuden

Nach den sehr schönen Kirchen von Redekin, Jerichow, Wust, Melkow, Schönhausen und Sandau verlassen wir das Jerichower Backsteingebiet und begeben uns zum Dom von Havelberg. Der Bischofssitz ist neben Brandenburg und Jerichow eines der drei Zentren des Landesausbaus Albrechts des Bären und ein Höhepunkt der brandenburgischen Route der Romanik. Doch auch Havelberg gehört heute (nach einer Gebietsreform von 1952) nicht mehr zum Bundesland Brandenburg, eine 1990 im Stadtrat durchgeführte Abstimmung mit dem Ziel, die Reform rückgängig zu machen, scheiterte mit knappem Ergebnis. Wir halten uns auch hier an die historischen Gegebenheiten der Gründungszeit, wenn wir Havelberg ais Teil der brandenburgischen Romanik behandeln.

Dom St. Marien zu Havelberg Westriegel Romanik Bruchsteine Quarzit
Westriegel Südseite

Nach der Expansion der sächsischen Herrscher Heinrich I. und Otto I. ins slawische Land östlich der Elbe hatte Otto 948 das Bistum Havelberg gegründet. Es hatte die Christianisierung der heidnischen Slawen zum Ziel. Wohl am heutigen Standort des Domes, auf einer Anhöhe über der Havel, ließ er einen ersten, höchstwahrscheinlich hölzernen Dombau errichten. Dieser wurde beim großen Slawenaufstand 983 zerstört und hinterließ keine Spuren.

Für mehr als 150 Jahre wurde das Wendenland nun wieder heidnisch. Unter Albrecht dem Bären erfolgte dann seit 1140 eine wesentlich besser vorbereitete Aktion zur Besitznahme des Landes. Nach dem militärisch erfolgreichen Wendenkreuzzug von 1147, einem Ableger des Zweiten Kreuzzugs, konnte Bischof Anselm von Havelberg von seinem Interimssitz Jerichow an den alten Bischofssitz Havelberg zurückkehren.

Dombau

Domkirche St. Marien zu Havelberg. Blick von Nordwest.
Domkirche St. Marien zu Havelberg. Blick von Nordwest auf Westriegel, Haupt- und Seitenschiff und Ostriegel.

Um 1150 begann der Dombau, dem ein Prämonstratenser-Domstift angegliedert wurde. Nach 20-jähriger Bauzeit weihte Erzbischof Wichmann von Magdeburg das Bauwerk 1170 ein. Albrecht der Bär fungierte, wie schon in Jerichow und Brandenburg, als weltlicher Schutzherr. Das Baumaterial des Doms ist ein Quarzit, der in Steinbrüchen in Plötzky und Gommern bei Magdeburg abgebaut und per Schiff nach Havelberg transportiert wurde. Der Dom ist 73 m lang und hat im Osten wie im Westen einen Querriegel, aber kein Querschiff, eine nirgendwo anders anzutreffende Besonderheit.

Dom St. Marien zu Havelberg, Grundriss nach Georg Dehio, gemeinfrei
Dom St. Marien zu Havelberg, Grundriss nach Georg Dehio, gemeinfrei
Modell von Dom und Klausur zu romanischer Zeit.
Dom und Klausur zu romanischer Zeit. Modell ausgestellt im Prignitz-Museum am Dom zu Havelberg, freigestellt von A. Soujon

So wehrhaft der Westbau auch wirkt, war er doch keine Verteidigungsanlage. Er besaß nämlich sowohl einen ebenerdigen Zugang (neben einem weiteren in 5 m Höhe) als auch einen inneren Durchgang zur Kirche. Aber es ist nicht ausgeschlossen, dass dieser nur mit schmalen Schießscharten ausgestattete Bauteil als kurzfristiger Rückzugsort im Gefahrenfall genutzt werden konnte. Die drei Schiffe waren mit niedrigen Holzdecken überdacht und mit Pfeilern und Rundbogenarkaden voneinander geteilt. Im Ostriegel befand sich der durch Bögen ausgeschiedene Chor, der mit einer halbrunden Apsis abschloss.

Dom St. Marien zu Havelberg Westriegel
Westriegel aus Bruchstein und Backstein. Oberstes Glockengeschoss, Dachreiter und Portal 20. Jh. Viereckige Löcher vom Baugerüst.
Dom St. Marien zu Havelberg Westriegel Romanik Bruchsteine Quarzit
Details des Westriegels: Romanische Rundbogenfenster und Mauerwerk aus Bruchstein (Gommern-Quarzit)
Dom St. Marien zu Havelberg Treppenturm polygonal Romanik Bruchsteine Quarzit Backstein
Polygonaler Treppenturm am Ostriegel zur zweigeschossigen Kapelle.

Wechsel von Naturstein zu Backstein

Der Ostflügel der Prämonstratenser-Klausur mit Sakristei, Vestiarium (Gewänderkammer), Kapitelsaal, Auditorium sowie Dormitorium (Schlafsaal) im Obergeschoss wurde um 1200 im Stil der Spätromanik errichtet. Man verwendete nun, wie auch beim ersten Glockengeschoss des Westriegels, Backstein als Baumaterial. Die Westfassade weist dadurch eine (sparsame) Lisenengliederung auf und das Glockengeschoss erhielt einen Kreuzbogenfries als Abschluss. (Das zweite Glockengeschoss ist modern). Die südlichen Gebäudeteile mit Sommer- und Winterrefektorium und Bischofssaal im Obergeschoss (bischöfliche Dienstwohnung) kamen Anfang des 13. Jahrhunderts hinzu. Sie wurden im 14. Jahrhundert mit einer gewölbten Decke versehen.

Zum Ende des 13. Jahrhunderts wurde der westliche Teil der Klosteranlage mit Cellarium (Lagerraum), Kornspeicher und Kreuzgang im hochgotischen Stil gebaut, womit die Klausur vollendet war. Sie diente aber nicht lange als Bischofsresidenz. Die Bischöfe waren nicht Lehnsherr der Stadt und auch nur Eigentümer der Hälfte des Domareals. Deshalb wählten sie sich 1271 Wittstock an der Dosse, eine Stadt in ihrem Besitz, als neue Residenz aus. Die Durchführung der Domgottesdienste oblag nun den Prämonstratensern, der Bischof weilte nur noch zu wichtigen Ereignissen in Havelberg.

Teilzerstörung und Wiederaufbau im gotischen Stil

1279 zerstörte ein Brand Holzdecken und Inneneinrichtung des Doms, lediglich die dicken Bruchsteinmauern blieben erhalten. Der Wiederaufbau sollte unter Beibehaltung des erhaltenen Mauerwerks im jetzt modernen gotischen Stil erfolgen. Dazu blendete man den romanischen Mauern ein gotisches Tragewerk aus Backstein mit Spitzbögen, Halbsäulen und Gewölbediensten vor. Zudem erhöhte man die Seitenwände ebenfalls mit Backsteinen, um gotische Kreuzgewölbe einzuziehen. Die romanischen Arkaden und die Abmessungen des Vorgängerbaus blieben dabei erhalten. So präsentiert sich der Havelberger Dom heute als eine geglückte Symbiose aus Romanik und Gotik.

Ausstattung

Dom St. Marien zu Havelberg Langschiff Innenraum Romanik
Blick nach Osten mit romanischen Arkaden im Langschiff, barocker Kanzel, Lettner, Triumphkreuz und Hochaltar

Die Gotik fügte auch noch die St. Annen Kapelle von 1508 sowie die St. Marien Kapelle aus dem frühen 14. Jahrhundert hinzu. Ein großer Glücksfall in dieser Zeit war, dass der Bischof von Havelberg, Johann v. Wöpelitz, von der boomenden Wallfahrt zum Wunderblut nach Wilsnack finanziell stark profitierte. Einen Großteil des eingenommenen Geldes wandte er für die Verschönerung des Doms auf. So bewahrt der Dom eine reiche Ausstattung aus dem Mittelalter: Die Triumphkreuzgruppe, Teile des Chorgestühls sowie drei Sandsteinleuchter vom Ende des 13. Jh. Am Bedeutendsten ist der mit reichem Figurenschmuck (einem Passionszyklus) versehene Lettner aus dem 14. und 15. Jh. Zudem blieb ein Teil der mittelalterlichen Verglasung erhalten. Die ältesten Scheiben entstanden um 1320-1330, weitere im frühen 15. Jh., die letzten gegen 1470. Reste der ornamentalen Deckenmalerei von 1330 finden sich am westlichen Gewölbe im südlichen Seitenschiff.

Nachreformatorische Zeit

Der Niedergang des Domkapitels begann, als die brandenburgischen Kurfürsten immer mehr Einfluss darauf nahmen. 1506 wurde der Prämonstratenser-Konvent in ein Kapitel von Weltgeistlichen umgewandelt, die 1561 zum Protestantismus konvertierten. Immerhin wurde 1587/88 noch der Renaissance-Taufstein aufgestellt und im 17 Jh. erfolgte eine barocke Umgestaltung. Es entstanden der monumentale Barockaltar und die Scholze-Orgel. Aber 1819 erfolgte die Enteignung der Stiftsgüter zu Gunsten des preußischen Fiskus, das Domstift wurde aufgelöst und die Stiftsgüter wurden durch ein staatliches Domänenamt verwaltet.

Die evangelische Kirche nutzte das Gebäude zwar weiterhin als Gotteshaus, hatte aber nur noch unzureichende Geldmittel zur Verfügung. Der Staat führte deshalb im 19. Jahrhundert umfangreiche Restaurierungsarbeiten im Innen- und Außenbereich durch. 1907 bis 1909 erhielt das Westwerk ein weiteres Glockengeschoss, um sein – seit der gotischen Erhöhung des Schiffs – unbefriedigendes, geducktes Erscheinungsbild zu verbessern. Dabei entstand auch das neuromanische Westportal. Seit 1996 ist die Stiftung Dome und Schlösser in Sachsen Anhalt für den Unterhalt zuständig.

Bildergalerie

Dom St. Marien Havelberg. Lettner, Triumphkreuz und Hochaltar
Lettner, Triumphkreuz und Hochaltar
Dom St. Marien Havelberg. Lettner Details
Details des spätgotischen Lettners
Dom St. Marien Havelberg. Hochaltar und Taufstein
Barocker Hochaltar von 1700, drei Sandsteinleuchter von 1300 und Taufstein von 1587.
Dom St. Marien zu Havelberg Scholtze-Orgel von 1777
Scholtze-Orgel von 1777
Gotisches Chorgestühl
Sandsteinleuchter (1300): Küchenmeister
Sandsteinleuchter (1300): Küchenmeister
Bischofsgrab Johannes v. Wöpelitz im Chor
Sandsteinleuchter (1300): Mönch
Sandsteinleuchter (1300): Mönch

Dom St. Marien Havelberg. Mittelalterliche Grabplatten
Mittelalterliche Grabplatten, 14. JH.: Zwei Mönche und ein Bischof (liegend)
Dom St. Marien Havelberg. Kreuzgang
Kreuzgang
Dom St. Marien Havelberg. Kreuzgang
Kreuzgang
Kreuzgarten und Klausur von großer Schönheit und kulturhistorischer Bedeutung
Klausur mit Kreuzgang und Friedgarten, links der Dom, ein Ensemble von einmaliger Schönheit.