Das Projekt rrbb.info

Viele Themenstraßen ziehen sich durch Deutschland. Sie wurden geschaffen, um Reisenden die Schönheit bestimmter Regionen im Spiegel ihrer Geschichte nahezubringen, die dort verwurzelten Mythen, die Lebensgewohnheiten der Bevölkerung oder berühmte Gebäude kennenzulernen und sie dazu zu ermuntern, Reisen anhand einer bestimmten Thematik zu unternehmen. 

Eine besonders erfolgreiche Geschichtsroute ist die Straße der Romanik in Sachsen-Anhalt, einem Land, das im frühen Mittelalter zu den Kernlanden des deutsch-römischen Reiches zählte. Schließlich entstammte ihm die Dynastie der Ottonen, die hier ihre geistlichen, kulturellen und politischen Machtzentren hatte. Da das Land auch unter den nachfolgenden mittelalterlichen Dynastien der Salier und Staufer große Bedeutung besaß, konzentriert sich gerade dort eine Fülle bedeutender Bauwerke des romanischen Stils. Durch die Straße der Romanik werden die Dome, Stadtkirchen, Klöster, Burgen und Dorfkirchen aus der Entstehungszeit des Landes miteinander verbunden und die so lange vergangene und zum Teil auch vergessene Geschichte der Region wieder ins Blickfeld gerückt.

Brandenburgische Routen der Romanik

Warum nun auch Routen der Romanik in Brandenburg – einem Land, das an der Entwicklung des romanischen Stils gar nicht teilhaben konnte, da dieser mit den deutschen Siedlern überhaupt erst in seiner letzten Phase, der Spätromanik hierher kam? Hier befindet sich keiner der berühmten Dome Deutschlands, keines der einflussreichsten Klöster und auch keine Burg als Sitz eines mächtigen mittelalterlichen Herrschers.

Anstelle solch spektakulärer Highlights bietet Brandenburg dagegen eine Fülle uralter Zeugnisse der erfolgreichen Besiedlung eines wenig entwickelten Landes unter Bewältigung größter Widrigkeiten und mit begrenzten Ressourcen. Dieser Vorgang, früher als “Landnahme” oder “Ostkolonisation”, heute treffender als “Landesausbau” bezeichnet, ist eine einzigartige, im Großen und Ganzen friedlich verlaufene, kulturelle Leistung.

Unzählige, höchst sehenswerte Objekte im Baustil der Spätromanik zeugen noch davon: Dorfkirchen, mehrere imposante Stadtkirchen, zwei Dome, drei Klöster und auch Burgen und Stadtmauern, fast alle aus Feldsteinen erbaut. Aber auch die spätromanische Backsteinarchitektur erhielt in Brandenburg entscheidende Impulse und verbreitete sich später in der weiterentwickelten Form der Backsteingotik in Norddeutschland und dem Ostseeraum, bis hinauf nach Skandinavien.

Die schlichten und dennoch monumentalen Gebäude verdienen es, aus der Vergessenheit hervorgeholt zu werden, erzählen sie doch von der ganz speziellen Geschichte Brandenburgs, nämlich der eines Pionierlandes.

Feldstein und Dorfkirchen

Kennt man die Umstände ihrer Entstehung, steht man dann doch staunend vor diesem Erbe einer über 800-jährigen Vergangenheit. Am meisten ist man zunächst vom Baumaterial beeindruckt, dem harten und sich der Bearbeitung widersetzenden Feldstein. Er verleiht den Bauten durch seine Vielfarbigkeit ein abwechslungsreiches Aussehen und durch Schlichtheit und Schmucklosigkeit ein archaisches Erscheinungsbild. Aber auch die Backsteinbauten (bei denen das Baumaterial in viel größerem Maße Ornamentik und Gliederung zulässt als der Feldstein) überzeugen: Durch die warme Rotfärbung des Steins und die variable Gestaltung der Architektur.

Erstaunlich ist die Reichhaltigkeit Brandenburgs an historischen Bauten, trotz aller zerstörerischen Ereignisse, die vom Mittelalter bis zur Neuzeit viel zu oft darüber hinweggingen. In Gegenden wie dem Fläming findet sich in fast jedem Dorf eine spätromanische Kirche. Solch eine Konzentration von Sakralbauten aus der Zeit um 1200 ist anderswo kaum zu finden! Überhaupt stellen die romanischen Dorfkirchen ein einzigartiges Kulturgut unserer Region dar, obwohl sie wegen ihrer geringen Größe, ihrer Schmucklosigkeit und ihres zumeist unspektakulären Aussehens in der Kunstgeschichte häufig unterbewertet bleiben. Oft im Schatten „bedeutenderer“ architektonischer Meisterwerke stehend, sind sie dennoch prägend für das Erscheinungsbild der brandenburgischen Dörfer. Über Jahrhunderte hinweg waren sie nicht nur Ort des religiösen Kults, sondern auch Mittelpunkt des gesellschaftlichen Lebens und in diesem Sinne wichtige Zeugnisse von Kultur.

Die Besonderheit brandenburgischer Architektur

Zur Wertschätzung des Alten gehört auch die Akzeptanz, dass Brandenburg stets ein armes Land und weit mehr als andere Regionen kriegerischen Ereignissen und gravierenden Wechseln der politischen Konstellationen ausgesetzt war. Dies manifestiert sich auch an den Gebäuden: Die Mehrheit der romanischen Monumente ist nur teilweise erhalten, meist um- oder wiederaufgebaut, allerdings im Wesentlichen noch gut erkennbar.

Die Veränderungen schmälern aber keineswegs den hohen Rang der Objekte, denn sie sind Teil und wertvolles Zeugnis ihrer Geschichte. All das Fragmentarische, Unvollständige und Unvollkommene, Zerstörung und Wiederherstellung sowie ständige Veränderung ist spezifisch für unser Land. So sind romanische Dorfkirchen barock eingerichtet, Stadtkirchen zeigen die gesamte Entwicklung der Baukunst von 1200 bis heute, Burgen und Klöster sind vielfach Ruinen. Dieses Spannungsfeld macht die wahre Faszination der alten Kunstwerke Brandenburgs aus.

Dorfkirche Dalichow. Einfache Saalkirche.
Dorfkirche Dalichow. Einfache Saalkirche.
Dorfkirche Neschholz. Zweiteilige Anlage mit Schiff und Apsis
Dorfkirche Neschholz. Zweiteilige Anlage mit Schiff und Apsis (Apsissaal)
Dorfkirche Preußnitz. Dreiteilige Anlage.
Dorfkirche Preußnitz. Dreiteilige Anlage.
Dorfkirche Wildenbruch. Vierteilige Anlage.
Dorfkirche Wildenbruch. Vierteilige Anlage.
Treuenbrietzen St. Marienkirche von Süden aufgenommen
Stadtpfarrkirche St. Marien Treuenbrietzen. Ursprünglich eine turmlose Gewölbebasilika.
Klosterkirche und Kreuzgang des Kapitelsaals
Lehnin. Klosterkirche, Kreuzganghof und Ostgalerie.
Dom St. Peter und Paul zu Brandenburg an der Havel. Blick von Süden auf die Dominsel.
Dom St. Peter und Paul zu Brandenburg an der Havel.
Burg Rabenstein. Romanischer Bergfried und Palas mit romanischen Relikten.
Burg Rabenstein. Romanischer Bergfried und Palas mit romanischen Relikten.

Ziele von rrbb.info

Seit dem Ende des 20. und auch weiterhin im 21. Jh. ist die dörfliche Kultur mannigfaltig bedroht: Kirche und Glaube geraten immer stärker in den Hintergrund, die Abwanderung der jungen Generation lässt ländliche Regionen veröden, die christlichen Gemeinden schrumpfen und durch Zusammenlegung mehrerer Dörfer zu einer Gemeinde werden viele Kirchen dienur wenig genutzt. War nach der Wende von 1989 der bauliche Zustand der historischen Substanz das Hauptproblem der Landgemeinden, so ist es heute die Vergessenheit, der diese Juwele anheim zu fallen drohen. In der Regel werden die Objekte nur zum Gottesdienst geöffnet, was bei einer Vielzahl von ihnen viel zu selten ist. Die Besichtigung ist entweder überhaupt nicht vorgesehen oder wird dadurch verhindert, dass sie verschlossen sind und keine Adresse eines Schlüsselbewahrers genannt wird. Angegebene Öffnungszeiten werden oftmals nicht eingehalten. Fotografierverbote verhindern, dass kulturinteressierte Bürger als Multiplikatoren wirken können und letztlich ist überhaupt nicht zu verstehen, dass Leihgaben von Museen in verschlossenen Kirchen dem Besitz der Allgemeinheit entzogen werden.

Unsere Publikation hat zuvorderst den Zweck, die öffentliche Wertschätzung für diese jahrhundertealten Kulturdenkmäler wieder herzustellen. Dafür erläutern wir den historischen Kontext ausgewählter, besonders schöner oder interessanter Bauwerke, zeigen Einzigartigkeiten und Besonderheiten auf und würdigen ihre Bedeutung mit umfangreichem Fotomaterial. Doch kann das nur der Anfang sein, deshalb streben wir für die Zukunft folgende Ziele an:

  • Weitestgehende Offenhaltung aller Objekte
  • Vernünftige Öffnungszeiten, mindestens am Wochenende und im Sommerhalbjahr
  • Sonderöffnungszeiten in der Feriensaison
  • Umfangreiche Information über alles Interessante, auch in der Umgebung
  • Verstärkte Nutzung aller Objekte
  • Gewährleistung der Sicherheit wertvoller Kunstschätze
  • Einrichtung der Routen der Romanik, Beschilderung
  • Verbesserung der Infrastruktur im Umfeld aller Objekte
  • Förderung des Tourismus in den überwiegend ländlichen Regionen

Durch folgende Maßnahmen wird sich rrbb.info für die Umsetzung dieser Ziele engagieren:

  • Unterstützung der Objektträger zur besseren Nutzung
  • Erstellung von Infomaterial (Flyer, Broschüren, Beschilderung aller Objekte mit wetterfesten Informationstafeln mit gut recherchierten Texten)
  • Einwerbung von Drittmitteln
  • Infrastrukturverbesserung durch Beschilderung der Route, Werbung für Gastronomie, Park- und Picknickplätze, Wanderwege
  • Entwicklung von Nutzungsideen (Verlegung kommunaler Veranstaltungen in Dorfkirchen, Hochzeitskirche, Theater-, Musik-, Filmaufführungen, Heimatstube in der Dorfkirche, Wechselausstellungen u.a. lokaler Künstler, etc.)
  • Herausgabe dieser Publikation als gedruckten Bildband für Bibliotheken, Tourismusbüros, Museumsshops und im freien Verkauf

Auswahl der Objekte

Bei der erwähnten Vielzahl der sehenswerten Objekte und unserem Wunsch, die schönsten, wichtigsten und wertvollsten von ihnen entlang einer Reiseroute zu präsentieren, mussten wir eine Auswahl treffen, die man durchaus kritisieren kann. In der gewollten Unvollständigkeit unserer Publikation liegt jedoch auch ein Vorteil: Ist unser Hauptziel erst einmal erreicht, Kunstinteressierte und Geschichtsbegeisterte auf die verborgenen Schätze unserer Region aufmerksam zu machen, werden diese bald auch „autonom“ auf Entdeckungsreise gehen, wozu die Autoren ausdrücklich raten. Angesichts der vielen hochkarätigen Objekte, die wir nicht berücksichtigen konnten, kann man sich auf jedem weiteren Ausflug zu den Schönheiten Brandenburgs eigene Highlights zusammenstellen. Auch wir werden unser Werk ständig um neue Objekte erweitern, Hinweise auf Sehenswertes in der Umgebung geben (zum Beispiel in Form von Abstechern) sowie Exkursionen zu thematisch passenden Objekten abseits der Routen vorschlagen..

Die vier von uns erstellten Routen verbinden derzeit 77 Bauwerke, kurze Abstecher von den Routen führen zu 9 weiteren sehenswerten Objekten. Durch Exkursionen werden zusätzlich 13 schöne und kulturhistorisch wertvolle Objekte in besonderem Kontext erschlossen. Im Zentrum und als Ausgangspunkt der Routen liegt die Metropole Berlin, die auch selbst einige spätromanische Sakralbauten aufzuweisen hat.

Video-Präsentation

Die Videos entstanden beim Dreh des Films „Neues Leben in alten Mauern“ von Uwe Dieckhoff für die Deutsche Welle unter Mitwirkung von Joachim Werner und wurden uns von diesem großzügiger Weise übereignet.

Besuch im Kloster Lehnin

Die Dorfkirche Alt Mariendorf

Die Backsteinkirche von Pechüle

Die Feldsteinkirche von Riedebeck im Fläming

Die Schönheit Brandenburgs entdecken

Und last but not least: Die Wege zu den vergessenen und lange Zeit vernachlässigten Schätzen der Romanik in Brandenburg offenbaren uns, dass all die wunderbaren Objekte mit ihrer so interessanten Geschichte auch noch in ausgesprochen schöner, oft sogar idyllischer Umgebung liegen. Deshalb empfehlen wir dringend, sei es zu Fuß, mit dem Fahrrad oder den übrigen Verkehrsmitteln auch die wunderschöne und abwechslungsreiche märkische Landschaft zu erkunden, die den Rahmen der brandenburgischen Romanik bildet!

Ausgehend von der quirligen Metropole Berlin mit all ihren überreichen Angeboten hin zu den Sehenswürdigkeiten der Routen der Romanik in Brandenburg findet auf dem Land eine wunderbare Entschleunigung statt. Man sollte die Routen unbedingt durch eine Einkehr in Dorfgaststätten und die Übernachtung in lokalen Unterkünften bereichern. Machen Sie auch Abstecher zu Sehenswürdigkeiten und Naturschutzgebieten in der Umgebung der Objekte. „Nichts überhasten“ lautet die Devise!

Eine kleine brandenburgische Galerie

Kulturlandschaft und wilde Natur gehen in Brandenburg häufig ineinander über. Landschafts- und Naturschutzgebiete mit vielfältigen Biotopen machen etwa 42% der Fläche des Bundeslandes aus (Stand September 2016).