5 km südlich von Ziesar, an dem gleichnamigen Flüsschen, liegt die relativ große, romanische Dorfkirche von Buckau. Sie ist vermutlich eines der ältesten Exemplare dieses Baustils östlich der Elbe. Da die Quellenlage zu ihrer Baugeschichte – wie bei den meisten Dorfkirchen Brandenburgs – äußerst dürftig ist, kann nur die Interpretation der wenigen erhaltenen Quellen und die des Baubefundes etwas Klarheit in ihren Ursprung bringen.
Geschichte
Buckau ist eine slawische Gründung, worauf der Ortsname (von slawisch buk = Buche) hindeutet. Im NO des Dorfes liegt ein slawischer Burgwall, der aber nur noch im Winter als niedrige, kreisförmige Erhebung in der Niederung zu erkennen ist. In einer Urkunde Ottos I. zur Ausstattung des Mauritiusklosters in Magdeburg (des Vorläuferbaus des späteren Doms) wird eine „urbs“ oder „civitas“ Bucounici erwähnt, deren „Honigzehnt“ an das Kloster gehen soll. Da die Imkerei überwiegend von den slawischen Bewohnern des Landes betrieben wurde, erscheint die Gleichsetzung von Bucounici mit dem slawischen Buckau plausibel, zumal sich keine andere Zuordnung aufdrängt. Damit würde es sich hier um einen der ältesten (urkundlich erwähnten) Orte im heutigen Bundesland Brandenburg handeln. Allerdings war Buckau nie mehr als nur ein Dorf, aber es ist denkbar, dass man sich bei der Bezeichnung als „Stadt“ Illusionen über die Entwicklungsfähigkeit des Ortes machte. Mit dem Slawenaufstand von 983 endete für mehr als 150 Jahre die ottonische Dominanz im Slawengebiet östlich der Elbe.
Die Wiederbesiedlung durch niedersächsische, rheinländische und flämische Einwanderer im Zuge des Landesausbaus unter Albrecht dem Bären stützte sich auf Burgwarde, befestigte Plätze zum Schutz der Neuankömmlinge und zur Verwaltung des Gebiets. Sie wurden häufig an der Stelle slawischer Burgwälle eingerichtet und es ist durchaus einleuchtend, dass Buckau ein solcher Burgward war, wodurch sich auch die ungewöhnliche Größe der Kirche erklären würde. 1217 hieß das Dorf Buckowe, 1234 Buchowe und 1459 Bukov. Es gehörte bis 1571 zum Hochstift Brandenburg, dem Fürstentum der Bischöfe des Bistums Brandenburg, deren Residenz sich im benachbarten Ziesar befand.
Äußeres
Die romanische Kirche ist eine dreiteilige Anlage mit einem sehr langen Schiff (23,65 x 11,10 m), einem querrechteckigen, eingezogenen Chor (7,80 x 8,70 m) und der nochmals eingezogenen Apsis. Das romanische Gebäude wurde vermutlich in zwei Bauabschnitten errichtet, denn Apsis und Chor weisen einen schmalen Sockel auf, der am Schiff fehlt.
Das Schiff hat auf jeder Seite fünf Fenster, der Chor zwei und die Apsis weist die übliche Dreifenstergruppe auf. Ursprünglich wurde das Gebäude durch ein nördliches Gemeindeportal betreten, wovon auf der Nordseite des Kirchenschiffes, zwischen dem ersten und dem zweiten Fenster noch ein Überfangbogen im Mauerwerk erhalten ist. An der gleichen Stelle auf der Südwand lässt unregelmäßiges Mauerwerk ein weiteres Gemeindeportal erahnen. Auf der Südseite des Chors befindet sich eine gut erkennbare, aber zugesetzte Priesterpforte mit Überfangbogen und wunderbar symmetrischem Gewände. Heute liegt der Eingang zur Kirche im Backsteinturm des 19. Jh.
Die Feldsteine des Mauerwerks sind zumeist ungequadert und lediglich an der Außenseite behauen, ein Hinweis auf die frühe Entstehung der Kirche (wahrscheinlich noch vor 1200). Es ist das Bemühen zu erkennen, die Steine lagig zu versetzen, aber die Lagen variieren sehr stark in der Größe und sind stellenweise unregelmäßig. Insbesondere am Chor sind sie unten in der Regel groß, je höher sie kommen desto kleiner werden sie. Davon abweichend ist auf der Südseite in etwa 1,5 m Höhe eine Lage mit sehr großen Feldsteinen verbaut worden. Von der Höhe der Fensterbänke ab werden relativ große, mäßig gut gequaderte Feldsteine verwendet. Der Bereich unterhalb der Traufe weist ganz unregelmäßiges Mauerwerk auf, was – wie bei vielen märkischen Dorfkirchen – auf eine Zerstörung des Daches (vielleicht im 30jährigen Krieg) und einen Neuaufbau des Gesimses schließen lässt. Darauf deuten auch die Erneuerung der östlichen Giebel von Schiff und Chor mit Ziegeln und Fachwerk hin, wobei die einschneidende Restaurierung des 19. Jh. ebenfalls zu diesem Befund beigetragen haben könnte. Auf jeden Fall geht die Hinzufügung des Backsteinturms und der Sakristeianbau an der Nordseite des Chors auf letztere zurück.
„Restaurierung“
Die Kirchenakten offenbaren, dass die Buckauer Kirche ab 1868 durch den Architekten Werner umfassend restauriert wurde. Diese Renovierung erklärt die gesamten Ungereimtheiten im Aussehen der Kirche: Die großen romanischen Fenster mit nur mäßiger Gewändeschräge, das Fehlen von Umbauten nach der Reformation und im Inneren die Säulen in den Ecken des Apsisbogens sowie die Kämpfer des Triumphbogens. Werner war ein Architekt des Historismus und Liebhaber des romanischen Baustils. Bei der Restaurierung romanischer Kirchen war es sein Hauptziel, deren Erscheinungsbild wieder auf einen (hypothetischen) Originalzustand zurückzuführen. Das betraf insbesondere die unorganischen, großen Fenster, die ab der Reformation in die Wände der Kirchenschiffe (insbesondere der Südwand) gebrochen wurden. Sie sollten mehr Licht in den Gemeinderaum bringen um den Gläubigen eine intensivere Teilhabe am Gottesdienst zu ermöglichen, z. B. durch den Gebrauch des Kirchengesangsbuchs. Werner „reromanisierte“ diese Fenster, behielt aber ihren zu großen Querschnitt bei und erzeugte zusammen mit der Ausmalung ein pseudo-romanisches Aussehen der Kirche.
Auch schreckte er nicht davor zurück, den Bauten romanische Schmuckdetails zu applizieren, die im Gebiet östlich der Elbe niemals verwendet wurden. In Boecke und im benachbarten Ziesar war Werner ebenfalls tätig und das Kritikwürdige seines Vorgehens ist auch dort offenkundig. Durch die starken Eingriffe in die historische Substanz ist es unmöglich geworden, die Baugeschichte in situ nachzuvollziehen und wenn zusätzlich darauf verzichtet wurde, diese in den Bauakten zu dokumentieren, dann hätte man Geschichte ausgelöscht, bzw. zumindest verfälscht. Die neuromanischen Fenster in Werners Objekten erscheinen zwar „stilrein“, entsprechen aber in Größe, Höhe und der Gewändeschräge nicht dem Erscheinungsbild der Spätromanik in Brandenburg. Das lässt sich ebenfalls für die Buckauer Apsisfenster vermuten, die insbesondere bei den äußeren Öffnungen sehr groß ausgefallen sind. Dabei ist gerade die Apsis vieler romanischer Dorfkirchen original erhalten geblieben, weil dieser Bauteil nach der Reformation keine liturgische Bedeutung mehr besaß und somit keinem großen Veränderungsdruck ausgesetzt war. (Es kam allerdings vor, dass zugunsten einer Vergrößerung des Kirchenschiffs die Apsis komplett abgerissen wurde, wie z. B in Linthe oder Reetz.) Werners Eingriffe in das Feldsteinmauerwerk sind ebenfalls sehr problematisch. Beispielsweise fügte er in den originalen, aus der Zeit von vor 1200 stammenden Mauerverband (mit nur von außen bearbeiteten Feldsteinen) neuromanische Fenster mit akkurat bearbeiteten Quadern ein, die eine Bauzeit um 1250 suggerieren. Die von ihm restaurierten Gebäude bleiben – trotz aller denkmalpflegerisch zweifelhaften Veränderungen – dennoch wertvolle Baudenokmale. Durch ihre Lage, Kubatur und Geschichte sind sie wichtige und interessante Zeugnisse der Besiedlung des Raumes östlich der Elbe. Das trifft insbesondere auf Buckau zu, wo die für eine Dorfkirche ungewöhnliche Größe und der spätromanische Grabstein im Inneren viele Fragen zum Landesausbau Brandenburgs zur Zeit Albrechts des Bären aufwerfen bzw. beantworten.
Inneres
Schiff
Das flach gedeckte Innere ist sehr schlicht und besitzt aus der Erbauungszeit nur noch den Triumph- und den Apsisbogen. Die Kämpfer des Triumphbogens sowie die eingestellten Ecksäulen des Apsisbogens (ein aus Italien stammendes Motiv der rheinischen Romanik, das östlich der Elbe überhaupt nicht vorkommt) sind – wie auch die Ausmalung von Apsis und Chor – eine Zutat von Werner.
Auch die Bemalung der Deckenbalken und die neoromanische Kanzel gehören dazu. Das barocke Kirchengestühl wurde damals entfernt und die heutigen Kirchenbänke, die Platz für 250 Personen bieten, eingebaut. Angesichts der geringen Anzahl von Gläubigen heutzutage ist das eine Furcht einflößende Größe. Durch regelmäßige Veranstaltungen wie z. B. Orgelvespern versucht die Gemeinde dem schönen Raum eine angemessene regelmäßige Nutzung zu verschaffen.
Chor
Eine zugesetzte Fensternische im Chor beherbergt eine Maria aus Lindenholz (um 1390), die sicherlich aus einem Altar stammt. Der Taufengel aus dem 18. Jahrhundert wurde von Bewohnern Buckaus 1999 stark beschädigt bei der Renovierung der Pfarrscheune gefunden. Die beiden Arme, die Flügel und ein Fuß fehlten, Pfarrer Gandow fand jedoch noch einen Arm unter einem Brennholzstapel. Die Gemeinde ließ das Ganze restaurieren und effektvoll im Chor aufhängen.
Grabstein der Gertrudis
Ein Austattungsstück von höchster Bedeutung ist die vor dem Altar liegende, wieder verwendete Steinplatte. Es handelt sich um den Grabstein einer Gertrudis, deren Namensgebung sich mit Sicherheit auf die hl. Gertrud von Nivelles bezieht, einer im niederländischen Raum sehr populären Heiligen. Vielleicht wurde die in Buckau Bestattete am Namenstag der Heiligen geboren und erhielt daher ihren Namen. Der Stein zeigt ein eingeritztes Kreuz, das auf einem Halbkreis steht und dem Typus entspricht, welches die Teilnehmer des Wendenkreuzzugs von 1147 auf Anregung von Bernhard von Clairvaux verwendeten: Das auf der Weltkugel fußende Symbol des Christentums. Ein Zusammenhang der hier Bestatteten mit diesem Kreuzzug ist jedoch kaum herstellbar.
Die umlaufende Inschrift des Steins ist in romanischen Majuskeln ausgeführt: GERTRVDIS MVLIER BONE VITE ET HONESTE CONVERSATIONIS (Ehefrau Gertrudis hat ein gutes Leben und einen ehrbaren Lebenswandel geführt). Die Inschrift an der Oberseite des Steins fehlt bedauerlicherweise, weil er in seiner Länge der Breite des Altars angepasst wurde. Hier wird sich das Todesjahr der Verstorbenen befunden haben. Auf der rechten Seite kann man noch die Worte OBIIT und MARCIS (verstorben und März) sowie ein Kreuz erkennen. Der Namensstag der hl. Gertrud von Nivelles entspricht ihrem Todestag, dem 17. März. Dass die Buckauer Gertrudis ebenfalls im März starb, ist eine eigenartige Koinzidenz. Eine Steinplatte dieser Größenordnung musste im steinarmen Brandenburg über viele Kilometer herbei geschafft werden und kann deshalb nur einer hoch gestellten Persönlichkeit zugeordnet werden. So sei eine kleine Spekulation erlaubt: Die auf der Steinplatte verewigte Gertrud könnte zu den Siedlern aus dem niederländischen Raum gehört haben, die von Albrecht dem Bären angeworben wurden. Sie könnte die Ehefrau des Burgvogtes gewesen sein (falls Buckau wirklich ein Burgward war), ansonsten wäre sie auch als Frau des Lokators oder des Dorfschulzen denkbar. Als Patron der Buckauer Kirche gestand dieser ihr zu, in der gerade errichteten Kirche beigesetzt zu werden. Bedauerlich, dass die originale Position des Grabsteins im Kircheninnern verloren gegangen ist. Er gilt aufgrund des Wendenkriegskreuzes und der Verwendung romanischer Majuskeln in der Inschrift als der älteste Grabstein in der Mark Brandenburg und dürfte aus der Erbauungszeit der Kirche stammen.
Apsis: Altar
Der gemauerte Altar stammt noch aus der Entstehungszeit der Kirche, bei der Erneuerung der Altarplatte fand man darunter zwei Vertiefungen für Reliquien. Leider ist uns das Patrozinium der Buckauer Kirche nicht überliefert. Das der hl. Gertrud erscheint nicht plausibel, denn die meisten Gertraudenkirchen und -kapellen entstanden erst in der Gotik. Auf dem Altar befindet sich ein weiteres wertvolles altes Kunstwerk, zwar nicht aus der Romanik sondern aus der Gotik, ein geschnitzter Flügelaltar aus der Zeit um 1420. Im Mittelschrein unter einem Baldachin steht die Madonna mit dem Kind, das einen Vogel in der Hand hält. Dieser könnte sowohl als Vorbote der Passion als auch als Symbol für die Auferstehung gelesen werden. Rechts und links neben Maria befinden sich vier gekrönte heilige Jungfrauen, jeweils zwei übereinander. Durch ihre Attribute leicht erkennbar sind Katharina (Rad) und Dorothea (Korb) sowie Barbara (Turm), die vierte (links unten) trägt eine Kapelle auf dem rechten Arm und hat einen erhobenen Zeigefinger.
Gern würde man in ihr die hl. Gertrud erkennen, doch es existiert keine vergleichbare Darstellung der Heiligen mit diesen Attributen, die gängigen sind Nonnengewand, Krummstab, Spinnrocken und Mäuse. Doch eine andere Zuweisung, z. B. auf die hl. Hedwig wäre ähnlich zweifelhaft. Auf den Flügelinnenseiten sind Gemälde der zwölf Apostel angebracht, die Außenseiten wurden später übermalt. Der Schrein wird gekrönt durch ein hölzernes Kruzifix, ebenfalls aus der Gotik. Das Ganze ist ein beeindruckendes Meisterwerk gotischer Kunst.
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