Templerroute: Lietzen, Dolgelin, Neuentempel, Marxdorf, Tempelberg. Abstecher nach Falkenhagen, Sieversdorf und Herzberg.

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Die hier beschriebenen Orte im Oderland liegen etwas abseits der nordöstlichen Romanikroute, deshalb empfehlen wir einen eigenständigen Ausflug auf den Spuren der Templer. Man könnte ihn in Berlin beginnen, mit Tempelhof, Mariendorf und Marienfelde und sich dann über den Berliner Ring und die B 1 / B 5 Richtung Müncheberg ins Templerland begeben. Oder im Falle eines kürzeren Ausflugs direkt über die B 1 / B 5 dorthin. (Auf dem Rückweg empfiehlt sich ein Stopp in Herzfelde, ebenfalls an dieser Straße). Auf jeden Fall sollte man mit der Komturei Lietzen anfangen, die das Zentrum dieser Templer-Route darstellt. Zur Einstimmung in die Thematik der Ritterorden schildern wir den historischen Hintergrund ein wenig ausführlicher.

Ritterorden

Im Umkreis des Ortes Lietzen im Oderland liegen die Dörfer Tempelberg und Neuentempel. Ihre Namen, wie auch die Bezeichnung Tempelhof für einen Ortsteil Berlins, verweisen auf den Orden der Tempelritter, der selbst im damals recht abgelegenen Brandenburg seine Spuren hinterlassen hat.

Ritterorden waren ein höchst bemerkenswertes Konstrukt in der Gesellschaft des Mittelalters, nämlich die Verbindung von Mönch- und Rittertum, zwei total gegensätzlichen Prinzipien. Da war zum einen das gottgeweihte, friedliche und ehelose (lat. monacus) Zusammenleben in Abgeschiedenheit (lat. claustrum) von der profanen Welt, woraus sich die Begriffe Mönch und Kloster entwickelt haben. Und zum anderen die Fixierung auf Waffendienst und Kampf bei den Rittern, einer tragenden Säule der mittelalterlichen Gesellschaft. Während aber das Rittertum eine reine Männerangelegenheit war, existierten im Bereich der Klöster auch weibliche Gemeinschaften (Nonnenkonvente).

Ritterstand und Kreuzfahrer

Solch ein komplexes Unterfangen wie die Kreuzzüge konnte überhaupt nur vom Ritterstand bewältigt werden, der als einziger über die Ressourcen dazu verfügte. Das waren unter anderem Pferde als Transportmittel für die weite Reise, finanzielle Mittel für Überfahrten, Proviant und Dienstleute (die die Ritter aus ihren Lehen in der Heimat rekrutierten) und die entsprechende Kampfkraft für die notwendigen militärischen Operationen. Die Ritter stellten ein Moment der Ordnung in den mangelhaft organisierten Haufen der Kreuzfahrer dar. In Palästina lebten sie zunächst in einer reinen Männergesellschaft, da sich legale Kontakte mit ungläubigen Frauen von vornherein ausschlossen. Nach Abschluss der Eroberung des Heiligen Landes gegründeten die Kreuzfahrer dort mehrere Staaten (darunter das Königreich Jerusalem), die aber auf ständigen Nachzug weiterer Ritter angewiesen waren um sich in den anhaltenden Auseinandersetzungen mit den Muslimen behaupten zu können.

Belagerung Jerusalems. Spätmittelalterliche Buchillustration. Autor unbekannt, gemeinfrei
Belagerung und Einnahme Jerusalems. Buchillustration aus dem späten Mittelalter. Jerusalem ist als zeitgenössische Stadt dargestellt, auch die Kleidung der Ritter entspricht dieser Zeit. Autor unbekannt, gemeinfrei

Für die geistliche und medizinische Betreuung der Menschen, für die in der Heimat Kirchen und Klöster zuständig waren, fehlte in der Ferne jegliche Infrastruktur. Deshalb entschlossen sich manche Kreuzfahrer (insbesondere fromme Ritter), im Heiligen Lande in klösterlicher Gemeinschaft zu leben und ihren Dienst dem Schutz der Pilger zu weihen. Sie bewachten die Straße vom Hafen Akkon nach Jerusalem, schützten die heiligen Stätten und eröffneten Hospitäler für Pilger.

Templer, Johanniter und Deutschritter

Aus solch klosterähnlichen Formierungen entwickelten sich allmählich die Ritterorden, zunächst 1119 die Templer. Die Orden leiteten ihren Namen ab vom Standort ihres Sitzes oder von der Klientel, die man betreute. Die Templer hatten ihre Zentrale auf dem Jerusalemer Tempelberg, wo am Ort des salomonischen Tempels die Muslime inzwischen den Felsendom und die Al-Aqsa-Moschee errichtet hatten, die Johanniter residierten am Johanneshospital und die Deutschritter vom Deutschen Haus St. Mariens in Jerusalem betreuten in erster Linie die deutschsprachigen Pilger. Alle Orden unterstellten sich direkt dem Papst und waren von jeglicher Steuerzahlung befreit, sie durften sogar selbst Abgaben erheben. Durch weitere Eroberungen und königliche bzw. kaiserliche Donationen sammelten sie sehr schnell erheblichen Reichtum an, den meisten die Templer. Die kriegerische Komponente behielten alle Mönchsritter aber dauerhaft bei, da das Heilige Land auch in der Folgezeit zwischen Christen und Muslimen umkämpft blieb.

Wirkungsbereiche der Ritterorden in den Kreuzfahrerstaaten (Outremer)
Wirkungsbereiche der Ritterorden in den Kreuzfahrerstaaten (Outremer).
Von Marco Zanoli Sidonius – Eigenes Werk; nach Grosser Historischer Weltatlas. Bayrischer Schulbuch-Verlag (Hg.). Bd. 2, Mittelalter. München 1970, S. 82., CC BY-SA 4.0

Auf lange Sicht konnten sich die Kreuzfahrerstaaten als Inseln im Meer der Feinde nicht behaupten und erlitten in der Auseinandersetzung mit den Muslimen große Rückschläge. Deshalb erlahmte mit der Zeit die Begeisterung für die Kreuzzüge und 1291, nach dem Fall von Akkon, zogen sich die Ritterorden aus Palästina zurück. Auch gab es jetzt Wallfahrtsorte in Europa (wie Santiago de Compostella oder die Ewige Stadt Rom), an denen die Pilger ihr Seelenheil am vermeintlichen Grab der Apostel Jakobus oder Petrus unter weit geringeren Gefahren und Entbehrungen erlangen konnten.

Integration der Orden nach Beendigung der Kreuzzüge

Ein großes Problem stellte die Integration der Ritterorden in ihrer alten Heimat dar. Als reiche Großgrundbesitzer waren sie in Palästina unabhängig von jeglichen Lehensherrn gewesen und auf solch eine privilegierte Stellung wollten sie auch nach ihrer Rückkehr nach Europa nicht verzichten, was zu Konflikten mit ihren Landesherren führen musste. Diese versuchten, sie auf neue Aufgabenfelder umzulenken, denn Kreuzzüge – also Kriege gegen Ungläubige – konnten ja auch andernorts als in Palästina durchgeführt werden.

Ein gelungener Coup des deutsch-römischen Kaisers war die Fokussierung des Deutschen Ritterordens auf Gebiete östlich des Heiligen Römischen Reiches – jenseits von Elbe, Oder und Weichsel – wo neben den christlichen Polen auch noch heidnische Völker lebten. Der Stauferkaiser Friedrich II. erklärte z. B. in der Goldbulle von Rimini heidnische Gebiete im Kulmer Land zum Eigentum der missionierenden Deutschritter, was eine Invasion von Ordensleuten in diese Region auslöste, die später einmal die Keimzelle Preußens und des Deutschen Reichs werden sollte. Auch in den Prozess des Landesausbaus konnte man Kreuzritter gut einbeziehen, denn dessen Ziele nutzten auch ihnen.

Probleme der Tempelritter in Frankreich

Der Templerorden hatte nach den Kreuzzügen sein Zentrum nach Frankreich verlegt. Noch heute erinnert in Paris der Name „Temple“ für das 3. Arrondissement an das Hauptquartier des Ordens. Im zentralistisch regierten Frankreich stellte der immer weiter expandierende Orden, der nicht der Krone unterstand und durch Geldgeschäfte, die den übrigen Christen verboten waren, unermesslichen Reichtum anhäufte, ein erhebliches Problem für die Staatsmacht dar. König Philipp der Schöne, dessen Herrschaft durch die Auseinandersetzungen mit England, eine Finanzkrise und Aufstände im eigenen Land stark bedroht war, entwickelte deshalb anfangs des 14. Jh. den Plan, die staatlichen Probleme durch ein Vorgehen gegen die Templer zu lösen, indem er ein Gerichtsverfahren gegen sie einleitete. Der bei dem Orden hoch verschuldete Monarch hoffte durch einen Schuldspruch auf einen Schlag sowohl die Verbindlichkeiten als auch die ihm lästige Organisation selbst loszuwerden, es bedurfte nur noch Erfolg versprechender Anklagepunkte. Als hinreichend wirksam erachtete man Ketzerei und Sodomie (damals Synonym für Homosexualität) um das hinterhältige Ziel zu erreichen.

Der König erließ im September 1307 insgeheim einen Haftbefehl gegen alle Templer im Lande, der am Freitag, dem 13. (!) Oktober desselben Jahres zeitgleich überall in Frankreich vollstreckt wurde. Nahezu sämtliche Ordensritter in Philipps Machtbereich, darunter die komplette Führung, wurden festgenommen, vor Gericht gestellt, schuldig gesprochen und viele von ihnen hingerichtet.

Lange Zeit war die Mitwirkung des Papsttums, unter dessen Hoheit die Templer standen, an diesem beispiellosen Justizmord ungeklärt, doch wurde kürzlich im Vatikan ein entlastendes zeitgenössisches Dokument gefunden (das Chinon Pergament). In diesem für Jahrhunderte im Archiv verschollenen Schriftstück ist eindeutig belegt, dass fünf päpstliche Investigatoren die Angeklagten von jeglicher Schuld freigesprochen hatten. (Offenkundig waren Ordensritter auch nicht homosexueller als der übrige Klerus).

Doch nur wenige Jahre später schloss der jetzt in Avignon residierende (französische) Papst Clemens V. gegen einige Zugeständnisse ein Abkommen mit dem König, in dem er den Orden 1312 für aufgelöst erklärte. Die restlichen Prozesse wurden eingestellt, das Geldvermögen der Templer verblieb beim König, das Grundvermögen ging an den Johanniterorden und das Papsttum gab seinen Segen zu dem gelungenen Coup.

Die Templer in Brandenburg

Diese weltgeschichtlichen Ereignisse haben nur am Rande mit den Templern im späteren Land Brandenburg zu tun. Hier traten die Ritter bei der Erschließung des Landes östlich von Elbe und Oder – zusammen mit den Deutschherren und den Johannitern – als Missionare und Lokatoren auf. Das Vordringen in noch nicht christianisierte Gebiete außerhalb bereits bestehender staatlicher Strukturen entsprach völlig ihrem neuen Selbstverständnis, das sie nach dem Rückzug aus Palästina entwickelt hatten.

Der Landesausbau der neuen Gebiete östlich der Elbe war auf Siedler angewiesen, die ihre Heimat verließen um in der Fremde mehr Freiheit, eigenen Grund und Boden und bessere Zukunftsaussichten zu finden. Dazu bedurfte es eines Landesherrn, der über hinreichend befriedetes und christianisiertes Territorium verfügte und ihnen die neuen Eigentumsverhältnisse garantieren konnte. Quasi als Vorhut des Landesausbaus durch die Fürsten und Bischöfe sollten die Ritterorden sowohl missionarisch als auch erobernd und sichernd den Boden für die Besiedelung bereiten. Dafür waren Stützpunkte nötig, an denen die Ritter in quasi klösterlicher Ordnung gemeinsam wohnten, ausgestattet mit Ackerland und Bauern, die sie versorgten, wenn sie dem Kriegshandwerk nachgingen. Die so genannten Kommenden oder Komtureien fungierten gleichermaßen als Burg, Kloster und Bauerndorf. Von hier aus trieben die Ritterorden die weitere Expansion in heidnische Gebiete voran, widmeten sich aber gleichzeitig vor Ort der Aufgabe, nachrückende Ritter zu unterstützen und zu beherbergen. In Brandenburg existierten zwei Zentren der Templermacht, nämlich auf dem Gebiet des heutigen Berlin die Komturei Tempelhof mit den Filialdörfern Mariendorf und Marienfelde sowie im Oderland die Komturei Lietzen. Jenseits der Oder, in der späteren Neumark, kamen noch die Komtureien Rurka (Rörchen) und Chwarszczany (Quartschen) hinzu.

Rurka, Ruine der Templerkirche
Restaurierte frühgotische Kirche der Kommende Quartschen (Chwarszczany)
Chwarszczany, frühgotische Kirche der Templer-Komturei

Dass Tempelhof in Berlin tatsächlich eine Komturei des Templerordens war, lässt sich mangels Urkunden nur aus seiner Topographie (ein von Wasser umschlossener, quasi befestigter Ort) und dem auf die Templer verweisenden Namen erschließen. Da aber (wie bereits erwähnt) die Besitztümer des aufgelösten Templerordens 1312 an den Johanniterorden fielen und Tempelhofs früheste Urkunde (von 1344) den Ort als Kommende der Johanniter aufführt, ist dies ein gravierendes Indiz einer schlüssigen Beweiskette zu den Templern: Der Vorgängerbau der heutigen Dorfkirche (siehe dort) ist ausweislich seiner Architektur mindestens hundert Jahre älter als das Datum der Urkunde und wurde somit im gleichen Zeitraum erbaut, wie die anderen Gründungen der Templer im Osten. Zudem trägt der Ort einen Namen, der auf einen “Hof” der Tempelritter hinweist und gehörte (nach 1312!) den Johannitern.

Leider haben ständige Umbauten und diverse Kriegszerstörungen (besonders im 2. Weltkrieg) außer der schönen Lage und der immer noch malerischen Kirche nur wenig Originales von der Komturei Tempelhof übrig gelassen, so dass man der Frage nach einer speziellen Templerarchitektur nur an den der Komturei gehörenden und aus der gleichen Bauzeit stammenden Filialdörfern Mariendorf und Marienfelde nachgehen kann. Aus deren Anlage und der mit anderen Dorfkirchen Brandenburgs übereinstimmenden Feldsteinarchitektur geht aber eindeutig hervor, dass der Landesausbau östlich der Elbe nach einem einheitlichen Plan durchgeführt wurde, ungeachtet der Tatsache, ob die Lokatoren im Auftrag der Markgrafen Brandenburgs oder Meißens, des Erzbischofs von Magdeburg oder der (slawischen) Herzöge von Schlesien oder Pommern vorgingen.

Komturei Lietzen

Komturei Lietzen.
Komturei Lietzen.

Die Komturei Lietzen mit ihren Filialdörfern Dolgelin, Neuentempel, Marxdorf und Tempelberg (sowie einigen weiteren, die hier nicht behandelt werden) entstand ein wenig später als der Gründungsbau von Tempelhof, ein Hinweis auf das unterschiedliche Vorgehen der jeweiligen Landesherren. Anders als Tempelhof gehörte Lietzen zum Bistum Lebus, das vom polnischen Gnesen aus eingerichtet wurde und in dem die slawischen Herzöge von Pommern und Schlesien den Landesausbau betrieben. (Aber auch sie warben die Siedler in den gleichen Gebieten an wie ihre „westlichen“ Konkurrenten aus Meißen, Magdeburg und Brandenburg). Für Lietzen gibt es einen eindeutigen Beleg für die Zugehörigkeit zum Templerorden, nämlich eine Besitzbestätigung durch Papst Innozenz IV. von 1247 in einer vatikanischen Urkunde. Die Gründung muss einige Jahre davor erfolgt sein (durch Herzog Hendryk Brodaty von Schlesien), da es immer eine gewisse Zeit brauchte, bis sich eine Ansiedlung konsolidiert hatte.

Komturei Lietzen Kirche, Herrenhaus und Verwaltungsgebäude
Komturei Lietzen: Herrenhaus (links), Kirche und Verwaltungsgebäude. Ansicht von Norden.

Wie in Tempelhof ging der Besitz der Komturei im 14. Jh. ins Eigentum des Johanniterordens über, bei dem er bis zur Säkularisation geistlicher Besitztümer verblieb. Anders als in Tempelhof haben sich in Lietzen bemerkenwerte Reste der Templerkommende erhalten, so Teile der Umfassungsmauer aus Feldstein, eine beeindruckende Feldsteinscheune, die Ordenskirche und große Teile des Komtureigebäudes. Das Ganze liegt an einem See, idyllisch eingebettet in die Landschaft des Oderlands. Von 1812 bis 1945 gehörte es der Familie v. Hardenberg, nach Kriegsende erfolgte die Enteignung und die Vertreibung der “Junker”. Nach 1989 restituiert, wird es aktuell von den Nachfahren der alten Besitzer wieder bewirtschaftet.

Feldsteinmauer

Noch heute wird die ca. 20 Hektar große Komturei von Teilen der originalen Feldsteinmauer umschlossen. Als der Besitz 1232 an den Templerorden ging, gehörten weitere 5000 Hektar Land mit Dörfern, Feldern, Wäldern und einem halben Dutzend Seen im Umkreis von 35 Kilometern dazu. Die Umfassungsmauer besteht teilweise aus behauenen, teilweise aus runden Granitsteinen und wurde kürzlich restauriert, wie sich überhaupt das gesamte Anwesen als sehr gepflegt darstellt. Dazu mussten viele „Bausünden“ aus DDR-Zeiten getilgt werden, als Lietzen eine LPG (Landwirtschaftliche Produktionsgenossenschaft) war, mit 7000 Schweinen, 40 Ställen und einem Kantinengebäude in Plattenbauweise. Auch die Familie Hardenberg nutzt es wieder als Landgut , ein touristisches Standbein mit Ferienwohnungen soll hinzukommen.

Komturei Lietzen Südliche Feldsteinmauer, Verlauf nach Westen
Komturei Lietzen Südliche Feldsteinmauer, Verlauf nach Westen
Komturei Lietzen Südliche Feldsteinmauer, Verlauf nach Osten
Südliche Feldsteinmauer, Verlauf nach Osten

Komtureigebäude

Komturei Lietzen. Im Vordergrund die Scheune, links die Ordenskirche angrenzend seeseitig das ehemalige Komtureigebäude, das heutige Herrenhaus.
Hauptgebäude der Komturei: Im Vordergrund die Scheune, oben links die Ordenskirche, rechts das ehemalige Komtureigebäude.

Das heutige Herrenhaus des Guts Lietzen erweist sich eindeutig als das alte Komtureigebäude. Zweistöckig erhebt es sich direkt neben der Ordenskirche in beeindruckender Größe.

Komturei Lietzen Herrenhaus, Ansicht von Südwest
Herrenhaus, Ansicht von Südwest
Komturei Lietzen Herrenhaus, Ansicht von Nordwest
Herrenhaus, Ansicht von Nordwest

Es ist aus sorgfältig bearbeiteten Feldsteinen gefügt und besitzt noch auf allen vier Ecken die scharfen Gebäudekanten, auf die man in der Romanik so großen Wert legte.

Komturei Lietzen Herrenhaus, akkurat ausgeführte Kante von West-zu Südwand
Herrenhaus, akkurat ausgeführte Kante von West-zu Südwand
Komturei Lietzen Alte Bausubstanz der Westfassade des Herrenhauses
Alte Bausubstanz der Westfassade des Herrenhauses

Veränderungen im Inneren haben sich auch auf das Äußere ausgewirkt, weshalb außer der Kubatur des Gebäudes nicht viel vom originalen Erscheinungsbild erhalten ist. Das Haus erhebt sich auf einem Gewölbekeller und wird wohl im Erdgeschoss das Refektorium und im Obergeschoss das Dormitorium der Ritter/Mönche beherbergt haben. Die Umbauten erklären sich aus den veränderten Nutzungsanforderungen der Johanniter und später der Gutsbesitzer, so entstanden z. B. repräsentative Stuckdecken. Zum Komtureigebäude wird man sich weitere zugehörige Bauten (wahrscheinlich aus Fachwerk und deshalb untergegangen) vorstellen müssen.

Ordenskirche

Komturei Lietzen Kirche Ansicht von Süden
Ordenskirche, Ansicht von Süden

Die Ordenskirche, eine Saalkirche mit ursprünglich zugehörigem Dachreiter (erkennbar am durchgehenden Feldsteinmauerwerk auf der Westseite) und polygonaler Apsis weist im Westteil sorgfältig behauenes und lagig geschichtetes Feldsteinmauerwerk auf, die Bearbeitung der Quader ist von einzigartiger Akkuratesse. Auf der Südseite existiert ein getrepptes Spitzbogenportal und ein zugesetztes Rundbogenfenster. Das gleichzeitige Auftreten von Rund- und Spitzbögen im Verbund mit der sauberen Quaderung verweist auf ein Baudatum der Westteile um 1240, der Zeit der Gründung der Komturei durch die Templer.

Komturei Lietzen Kirche Ansicht von Südwest. Westfassade vom Typ Dangelsdorf
Ansicht von Südwest. Westfassade vom „Typ Dangelsdorf“ mit Dachreiter und nachträglich eingesetztem frühgotischem Biforen-Fenster aus Sandstein.
Komturei Lietzen Kirche Exakte Quaderung des Feldsteinmauerwerks
Exakte Quaderung des Feldsteinmauerwerks der Westfassade. Es musste kaum Mörtel verwendet werden.
Komturei Lietzen Kirche Sakristei Feldsteinsockel
Gotische Sakristei mit Feldsteinsockel und Übergangskante aus Backstein.

Komturei Lietzen Kirche Spitzbogiges Portal in der Südwand des Schiffes
Spitzbogiges Portal in der Südwand des Schiffes
Komturei Lietzen Kirche Zugesetztes romanisches Fenster in der Südfassade
Zugesetztes Rundbogenfenster in der Südwand

Der gotisch veränderte östliche Teil der Ordenskirche lässt verschiedene Rückschlüsse auf den Originalbau zu: Entweder stand hier ursprünglich eine zweiteilige Anlage, bestehend aus Schiff und Chor (wie auch in den anderen Templerkirchen von Dolgelin, Marxdorf und Rurka), deren Chor wegen der Vergrößerung der Kirche und ihrer Einwölbung von den Johannitern abgerissen und gotisch neu gebaut wurde. Oder der Ursprungsbau war eine dreiteilige Anlage nach dem Muster der Flämingkirchen mit Schiff plus Dachreiter, eingezogenem Chor und Apsis. Zur Vergrößerung und Einwölbung der Ostteile rissen die neuen Besitzer den romanischen Chor und die Apsis der dreiteiligen Anlage ab und verbreiterten diesen Teil (vorwiegend in Backstein) auf die Maße des Kirchenschiffs.

Das in einer Fluchtlinie durchgehende Feldsteinfundament, auf dem sich Schiff und Chor erheben, scheint diese Hypothesen zu erschüttern, da es die Existenz eines ursprünglichen rechteckigen Saalbaus suggeriert, der im Osten, oberhalb der sechs untersten Feldsteinlagen umgebaut wurde. Bei genauerer Inspektion, insbesondere der Ostteile, stellt sich jedoch heraus, dass das dortige Feldsteinfundament nicht die gleiche Qualität wie im Westen besitzt und obendrein auf Ziegelsteinen aufliegt. Daraus müssen wir schließen, dass der Chorneubau ein Fundament aus Abbruchsteinen seines Vorgängers erhielt, auf dem Backsteinmauern mit gotischen Blenden und Gewölben im Innenraum errichtet wurden. 

Sakristei an der Nordseite des Chors
Sakristei an der Nordseite des Chors
Feldsteinsockel und Epitaphen am Chor, Südseite
Feldsteinsockel und Epitaphien am Chor, Südseite

Bei der Entscheidung, ob es sich ursprünglich um eine zweiteilige oder dreiteilige Anlage handelte, tendieren wir aufgrund der Westwand vom Typ „Dangelsdorf“ zum Flämingtyp mit Schiff plus Dachreiter, Chor und Apsis, wie er auch im nahen Tempelberg realisiert wurde. Das wird zudem durch die Proportionen des aktuellen Baus gestützt, an dem wir die Ausdehnung des Schiffs bis kurz vor dem Strebepfeiler ablesen können. Der ehemals eingezogene, quadratische Chor reichte dann bis zum Ansatz des Polygons und die ehemalige romanische Apsis nahm den restlichen Raum ein. Beim Neubau fügte man noch eine Sakristei hinzu, die auf einem, sich mit halbrunden Formsteinen an die Wand anschließenden, vorspringenden Feldsteinsockel steht; ein verputztes, abgetrepptes Spitzbogenportal führt in sie hinein.

Innenraum

Das stimmungsvolle Innere mit mit seinen schönen spätgotischen Gewölberippen birgt einen prächtigen barocken Kanzelaltar, der um den originalen romanischen Altarblock herumgebaut ist. Man kann deutlich erkennen, dass der Altarblock nach starker Zerstörung (der rechte Teil der Granitplatte fehlt ganz und ist in Putz rekonstruiert) wieder zusammengebaut wurde und dass auch beim Bau des Kanzelaltars auf ihn Rücksicht genommen wurde.

Komturei Lietzen Blick nach Osten auf den Kanzelaltar. Schönes, spätgotisches Sterngewölbe
Blick nach Osten auf den barocken Kanzelaltar und das spätgotische Sterngewölbe
Komturei Lietzen Kanzelaltar von 1701
Kanzelaltar von 1701
Feldsteinaltar
Originaler Altarblock aus Feldstein
Details des Feldsteinaltars, links
Details des Feldsteinaltars, links
Details des Feldsteinaltars, rechts
Details des Feldsteinaltars, rechts

Sowohl an der Nordwand wie auch der Südwand des Schiffs kann man noch zwei zugesetzte romanische Fenster erkennen. Eine an der Westwand des Schiffs angebrachte Treppe zum Turm unterbricht das gotische Gewölbe. An der Wand befindet sich als große Rarität der romanische Grabstein eines Magister Johannes de Niendorf mit einem (leider schwer erkennbaren) eingeritzten Abbild des Verstorbenen und einer Inschrift.

Komturei Lietzen Romanisches Fenster in der Südwand des Schiffes.
Romanisches Fenster in der Südwand des Schiffes.
Komturei Lietzen Romanisches Fenster in der Nordwand des Schiffes. Die Treppe zum Turm unterbricht das gotische Gewölbe.
Romanisches Fenster in der Nordwand des Schiffes und Treppe zum Turm.
Komturei Lietzen Ritzgrabplatte des Magisters Johannes de Neundorf († 1276)
Ritzgrabplatte des Magisters Johannes de Niendorf († 1276)

An den Wänden des Kirchenschiffs hängen interessante Epitaphien und Wappenschilde ehemaliger Johanniterkomture von Lietzen aus den urmärkischen Adelsfamilien der Schlieben, Schlabrendorff und Thümen. Liborius von Schlieben, Georg von Schlabrendorff und Veit von Thümen waren zugleich auch Herrenmeister, d.h. Leiter des Ordens zu Sonnenburg, Hans von Thümen brandenburgischer Hofmarschall. Die Kreuze in seinem Wappen erinnern mehr an das Templerkreuz als an das Tatzenkeuz der Johanniter. Da die Herrenmeister zusammen mit Kurfürst Joachim II. zum Protestantismus übertraten, blieben ihre Besitztümer nach der Reformation erhalten, während der übrige Besitz der katholischen Kirche von den protestantischen Landesherrn eingezogen wurde. Erst mit dem Reichsdeputationshauptschluss von 1803 fiel der Johanniterbesitz an den preußischen König Friedrich Wilhelm III., der die Komturei Lietzen wegen der Verdienste, die sich Fürst Karl August von Hardenberg beim Wiener Kongress und den Preußischen Reformen erworben hatte, an ihn übereignete. Der Johanniterorden jedoch existiert als quasi Verein weiter und wirkt jetzt als wohltätige Organisation, die Johanniter-Unfallhilfe ist sein Aushängeschild. Der aktuelle Herrenmeister ist Oskar, Prinz von Preußen.

Komturei Lietzen Epitaph des Liborius von Schlieben († 1461)
Epitaph des Liborius von Schlieben († 1461)
Komturei Lietzen Epitaph des Georgius de Schlabrendorf († 1527)
Epitaph des Georgius de Schlabrendorf († 1527)

Komturei Lietzen Wappenschild von 1544
Wappenschild des Veit von Thümen von 1544
Komturei Lietzen Wappenschild von 1595
Wappenschild des Hans von Thümen von 1595

Feldsteinscheune

Komturei Lietzen Scheune Ansicht von Südost
Komturei Lietzen: Fünfgeschossige Feldsteinscheune, Ansicht von Südost

Die fünfstöckige, sehr gut erhaltene Feldsteinscheune aus der Erbauungszeit der Kommende ist eine große Rarität in der Architektur Brandenburgs, ja selbst der ganzen Bundesrepublik. Wegen der Funktion der Komturei als Stützpunkt und als Etappe auf dem Weg zu den anderen Komtureien des Ordens kam einer festen Vorratsscheune für diese Zwecke eine besondere Bedeutung zu. Für Durchreisende musste ein wesentlich größerer Vorrat an Lebensmitteln bereit gehalten werden als in einem „normalen“ Dorf üblich. Eine solche „Schatztruhe“ weckte sicherlich auch mehrfach die Begehrlichkeit durchziehender räuberischer Horden, was die Spuren von Zerstörung und Wiederaufbau nahelegen, die sich an den Mauern des Bauwerks abzeichnen.

Komturei Lietzen Scheune Ansicht von Nordost
Komturei Lietzen Scheune Ansicht von Nordost

Die Scheune hat an der östlichen Schmalseite einen hochgelegenen Eingang mit einem zweifach abgetreppten Rundbogenportal, der ins erste Geschoss führt. Die Höherlegung deutet auf einen darunter liegenden Keller hin, sein Eingang liegt rechts neben der Treppe.

Komturei Lietzen Ostportal der Scheune im ersten Stock.
Ostportal der Scheune im ersten Stock.
Komturei Lietzen Westportal der Scheune im ersten Stock.
Westportal der Scheune im erhöhten Basisgeschoss.

Unterhalb der Dachtraufe befinden sich (ausweislich der seitlichen rechteckigen Fenster) zwei Hauptgeschosse. Die Giebelfenster zeigen zwei weitere Geschosse im Dach an, wobei das erste durch zwei große gotische Biforen akzentuiert wird, die viel Licht einlassen sollen.

Komturei Lietzen Zweites Obergeschoss der Scheune mit Biforen in der Ostwand.
Zweites Obergeschoss der Scheune mit Biforen in der Ostwand.

Nach dem Erscheinungsbild der späteren Veränderungen (insbesondere der offensichtlich nachträglich eingesetzten gotischen Fenster) datiert man das Gebäude meist ins 14. oder 15. Jh., was im Widerspruch zu dem, besonders in den unteren Lagen, sehr sorgfältig bearbeiteten Feldsteinmauerwerk steht.

Wie an allen anderen mittelalterlichen Gebäuden auch, können wir an den Mauern die wechselvolle Geschichte des Bauwerks ablesen. Das Mauerwerk des gesamten unteren Bereichs ist (bis zu sieben Lagen hoch) ganz in der Manier der zweiten Phase der romanischen Feldsteinarchitektur der Mark Brandenburg ausgeführt: saubere Quaderung, lagige Anordnung und exakte Gebäudekanten. Zumindest diese Teile müssen zur Gründungszeit der Komturei erbaut worden sein. Je höher die Mauern aufsteigen, desto nachlässiger wird ihre Ausführung, entsprechend der Datierung der weiteren Phasen der brandenburgischen Romanik (Phase drei und vier).

Komturei Lietzen Scheune Lagiges Gefüge und Quaderung des Mauerwerks
Lagiges Gefüge und gute Quaderung des Mauerwerks.

Auf der Ostseite, an der sich die gotischen Fenster befinden, deutet das völlig ungeordnete Mauerwerk auf eine Reparatur nach kriegerischer Zerstörung hin, die Giebelspitze besteht komplett aus Backstein. Die Westseite weist ebenfalls einen hochgelegenen Eingang (hier ins zweite Geschoss des Hauptbaus) mit einem einfach getreppten Rundbogenportal auf. Auch hier erscheinen die backsteingefassten gotischen Fenster wie nachträglich eingesetzt. Das größte von ihnen liegt in der Giebelspitze und dient zur Belichtung des zweiten Dachgeschosses.

Komturei Lietzen Ostfassade
Ostfassade
Komturei Lietzen Westfassade
Westfassade

Im Innern beeindruckt das mächtige Balkenwerk, das die verschiedenen Geschosse trägt. Wegen der genannten Zerstörungsspuren kann es aber, besonders in den oberen Teilen, erst nach dem 30-jährigen Krieg entstanden sein. Diese so archaisch wirkende Feldsteinscheune mit ihren “erzählenden” Mauern macht einen sehr starken Eindruck, wie auch die gesamte Komturei Lietzen.

Komturei Lietzen Erstes Obergeschoss der Scheune
Erstes Obergeschoss der Scheune

Dolgelin

Dolgelin, Templerkirche
Schiff und Chor von Süden

Nur 5 km nordöstlich der Komturei Lietzen liegt Dolgelin, eines der ältesten Dörfer im Oderland. Der Ortsname ist slawisch (er lässt sich von Wörtern für „lang“ und „Flachs“ ableiten), auch wurden slawische Siedlungsspuren im Dorf gefunden. Die Anlage als Angerdorf und die spätromanische Feldsteinkirche belegen aber eindeutig die Entstehung im Zuge der deutschen Ostbesiedlung und des darauf folgenden Landesausbaus. Die urkundliche Ersterwähnung von 1322 bezieht sich auf den Verkauf einer Mühle aus dem Besitz des Johanniter-Ordens der Komturei Lietzen. Der Erlös sollte den Rittern zum Erwerb des Dorfes Dolgelin dienen, ein Nicolas de Dolgelin (wahrscheinlich der Dorfschulze) wird dabei in der Urkunde namentlich genannt. 

Bei dieser Transaktion existierte das Dorf bereits seit 100 Jahren und es kann darüber spekuliert werden, ob die Johanniter vielleicht nur den Rückkauf eines während der Auflösung des Templerordens verloren gegangenen Besitzes anstrebten. Dann wäre auch Dolgelin ein Templerort, eine Annahme, die durch die Architektur der Dorfkirche unterstützt wird: Eine zweiteilige Anlage aus sauber gequaderten Feldsteinen, bestehend aus Schiff und eingezogenem Chor, wie sie auch in dem benachbarten Templerdorf Marxdorf sowie in der jenseits der Oder gelegenen Kommende Rurka (Rörchen) vorkommt.

Das Schiff besaß auf jeder Seite drei Fenster, ein spitzbogiges Westportal mit Überfangbogen und an der Nord-und Südwand je eine gedrückt spitzbogige Gemeindepforte. Im Chor gab es auf jeder Seite jeweils zwei Fenster und in der Südwand eine rundbogige Priesterpforte. In der gerade geschlossenen Ostwand befand sich eine gedrückt spitzbogige Dreifenstergruppe, ein Okulus darüber sorgte für die Belichtung des Dachstuhls. Im Chorinnern wurden in die Wände kugelförmige Schalltöpfe aus harter Grauware zur Verbesserung der Akustik eingebaut. Diese Erfindung geht auf die Antike zurück und wurde durch Zisterziensermönche auch in vergleichsweise abgelegenen Regionen verbreitet, hier vielleicht durch die Templer.

Nach der Reformation erfuhr die Kirche starke Veränderungen: Die Fenster im Schiff wurden auf beiden Seiten vergrößert und das nördliche Gemeindeportal zugesetzt. Im Chor vergrößerte man die Südfenster und vermauerte die nördlichen, ebenso die Priesterpforte. Von der Dreifenstergruppe der Ostwand setzte man die beiden äußeren zu und vergrößerte das mittlere. Die Zugänge erfolgen jetzt über das Westportal und die südliche Gemeindepforte.

Dolgelin, flach geschlossener Chor
Südostseite mit zugesetztem Fenster
Dolgelin, flach geschlossener Chor
Nordostseite mit zugestztem Fenster

Auch danach wurde an der Kirche weiter gebaut, es entstanden eine (heute verschwundene) Sakristei am Chor und ein eingezogener Turm im Westen. Der war im 19. Jh. so baufällig geworden, dass man ihn durch einen Neubau ersetzte. Bis zum Ende des Zweiten Weltkriegs verblieb die Kirche im beschriebenen Zustand. In der Schlacht um die Seelower Höhen wurde sie und insbesondere der Turm schwer beschädigt, doch blieben die Dächer intakt und bis 1946 konnte man in dem Gebäude noch Gottesdienste feiern. Im selben Jahr gab der Bürgermeister jedoch die Erlaubnis zur Entnahme von Dachziegeln und zum Abbau des Gebälks für die Errichtung von Wohnbauten und die Reparatur des Schulgebäudes. Das Ergebnis war der allgemeine Verfall des Inneren der Kirche sowie der völlige Verlust der Ausstattung. 1965 sprengte man auch noch die Turmruine und ließ die Trümmer vor der Kirche liegen. Erst kurz vor der Wende wurde der Schutthaufen beseitigt.

Kirchenruine Dolgelin 2016. Aufnahme von Südwest
Kirchenruine Dolgelin 2016. Aufnahme von Südwest.
Von Oberlausitzerin64 – Eigenes Werk, CC BY-SA 4.0
Dolgelin, Westseite
Dolgelin, Westseite

Nach der Sprengung kamen am Giebel das Rundfenster mit dreifach gestuftem Gewände sowie zwei seitliche kreisförmige Blenden zum Vorschein. Im Kalkputz dieser Blenden  befinden sich zwei sehr seltene Ritzzeichnungen aus dem 13. Jahrhundert, die links die Halbfigur eines Heiligen und rechts die einer gekrönten Person mit Buch und Palmwedel zeigen, die sich möglicherweise auf den Heiligen Adalbert, den Schutzheiligen der Böhmen und Polen sowie des Bistums Lebus und durch die Darstellung eines Märtyrers auf sein Martyrium während der Bekehrung der Prußen beziehen.

Dolgelin, Westgiebel
Westgiebel mit Blenden
Dolgelin, Putzritz-Zeichnung
Putzritz-Zeichnung: Gekrönter mit Nimbus und Palmwedel, vielleicht ein Märtyrer

Nach der Wende gründete sich in Dolgelin ein Förderverein, der die Erforschung und Restaurierung der Ruine sowie die Wiederherstellung des Dachs anstrebte. Für die nicht unerheblichen Kosten gab es keine öffentliche Förderung. In der Kostenabrechnung sind zahlreiche namhafte Spenden der Bevölkerung, Mittel des Kirchenkreises und die Ausgleichszahlung einer Windenergiefirma gelistet. Die Gemeinde selbst beteiligte sich mit einem Eigenanteil in Höhe von 50.000 Euro und es war ein riesiger Glücksfall, dass ein örtlicher Bauunternehmer aus Lokalpatriotismus einen absoluten „Freundschaftspreis“ für die Arbeiten anbot.  

Dolgelin, Schiff nach Westen
Schiff nach Westen

Archäologische Untersuchungen im Innern förderten das Fundament eines (kleineren) steinernen Vorgängerbaus zutage, der wahrscheinlich von den Templern durch einen größeren Neubau ersetzt wurde. Auch der ältere Steinbau muss mit Sicherheit noch einen hölzernen Vorgängerbau besessen haben – ein Indiz für das hohe Alter der Dolgeliner Anlage. Ein Außenbalken des jetzigen Baus lieferte ein dendrochronologisches Datum von ca. 1300.

Dolgelin: Schiff mit zugesetzten Gemeindeportal
Schiff nach S mit zugesetztem Gemeindeportal
Dolgelin, zugesetzte Fenster im Schiff
Chor nach N mit zugesetzten Fenstern

2019 konnte das Gebäude mit neu aufgebautem Dach, das von außen das alte Erscheinungsbild mit einer Deckung von Biberschwanz-Ziegeln wiederherstellt, wieder eingeweiht werden. Das Innere bewahrt mit den unverputzten Wänden und dem fehlenden Triumphbogen die Spuren des wechselvollen Geschicks der Kirche. Insgesamt ist die Wiedergeburt dieses Bauwerks nach so langer Zeit des Niedergangs ein hoffnungsvolles Zeichen für so viele andere spätromanische Bauwerke, die noch ein Schattendasein fristen.

Dolgelin, zweiteilige Anlage
Rest des Turmes, Schiff und Chor

Neuentempel

Dorfkirche Neuentempel Anlage von Nordost
Dorfkirche Neuentempel. Anlage von Nordost

Auch die anderen Filialdörfer der Kommende, Neuentempel, Marxdorf und Tempelberg, verdienen einen Besuch. In Neuentempel steht eine zweiteilige Anlage, bestehend aus Schiff und Turm. Auf den ersten Blick ist ersichtlich, dass nur das Schiff aus der Zeit der Templer stammen kann, denn nur dieses besteht, wie die anderen Ordenskirchen auch, aus sorgfältig behauenen Quadern.

Dorfkirche Neuentempel Übergang vom Schiff zum Turm
Übergang vom Schiff zum Turm. Rechts im Schiff die (schwer erkennbare) zugesetzte und von einem Fenster durchbrochene originale Gemeindepforte. Der Unterschied der Qualität des Mauerwerks zwischen Schiff und Turm ist deutlich.

Der Turm muss aufgrund des ungeordneten Mauerwerks ins 15. Jh. datiert werden, so dass es sich hier – wie in Tempelhof und vielleicht auch in Lietzen – um einen einfachen Saalbau handelt, der ausweislich der hinter einem späteren Anbau auf der Südseite verborgenen spitzbogigen Priesterpforte um 1240 errichtet wurde, zur gleichen Zeit also wie die übrigen Templerkirchen.

Dorfkirche Neuentempel Ansicht von Südost
Ansicht von Südost mit neuzeitlichem Anbau
Dorfkirche Neuentempel Ansicht von Nordost
Ansicht von Nordost

Die gerade geschlossene Ostseite ist von besonderer Einfachheit – mit nur einem, noch dazu später veränderten Fenster und nicht mit der üblichen, auf die Trinität verweisenden Dreiergruppe. Bis auf die Priesterpforte sind alle anderen Öffnungen im Schiff durch entstellende Umbauten zur Zeit des Barock in ihrer Originalform nicht mehr zu erkennen. Auf diese Baumaßnahmen (vermutlich nach dem 30jährigen Krieg) dürfte auch die veränderte Dachform zurück gehen, wobei sich der Abdruck des alten, steileren Daches an der Ostseite des Turms noch erhalten hat.

Marxdorf

Dorfkirche Marxdorf, Ansicht von Südwest
Dorfkirche Marxdorf, Ansicht von Südwest. Von Rauenstein – Selbst fotografiert, CC BY-SA 2.0

Von Neuentempel aus empfiehlt sich ein Abstecher ins nur 4,3 km entfernte Marxdorf. Der Ort wurde als Marquardestorp gegründet, dessen Name höchst wahrscheinlich auf einen Lokator namens Markward zurückgeht. Eine Urkunde von 1244 belegt die Zugehörigkeit des Dorfes zur Templer-Komturei Lietzen. In diese Zeit, als die Templer auch das Kirchenpatronat inne hatten, fällt wohl der Bau der Kirche, die sich auf dem alten Anger neben dem Dorfteich erhebt. 

Auf den ersten Blick ist sie dreiteilig mit Turm, Schiff und Chor, doch während Schiff und Chor das an den Templerkirchen gewohnte akkurate Quaderwerk aufweisen, weicht der Turm um einiges vom Standardplan ab. Er ist etwas eingezogen und sein exaktes Quadermauerwerk reicht nur bis auf die Höhe des Spitzbogenportals, das sich in der im 19. Jh. angefügten Vorhalle befindet. Darüber erhebt sich nachlässig gefügtes Quaderwerk der Spätzeit, das ihn ins 14. oder 15. Jh. datiert. Oberhalb der Vorhalle ist ein Medaillon mit dem Johanniter-(Malteser)Kreuz eingelassen, das wohl ebenfalls aus der Wiederaufbauzeit stammt. Im Glockengeschoss existiert noch eine Glocke aus dem 14. Jahrhundert mit der Aufschrift „O Rex GLORIAE V(eni) CVM PACE“ (O König der Ehre, komme mit Frieden).

Somit war das Gebäude zur Erbauungszeit zweiteilig, bestehend aus Schiff und gerade geschlossenem, eingezogenem Chor, ein Bautypus, wie er bei Templerkirchen – auch östlich der Oder – mehrfach vorkommt. Anstelle der üblichen Dreifenstergruppe in der Ostwand existiert hier nur ein schmales, Spuren von Reparatur aufweisendes Rundbogenfenster. Wahrscheinlich war es im Originalzustand spitzbogig, was zum flach geschlossenen Chor passen würde. Der Chor besaß je zwei Rundbogenfenster, von denen ein zugesetztes noch erhalten ist, während sich im Schiff davon je drei befanden – auf der Nordseite ist ein vermauertes zu sehen. Auf der Südseite existiert noch das zugesetzte Gemeindeportal, wunderbar gerahmt von symmetrisch angeordneten Feldsteinen; eine Priesterpforte können wir in dem Anbau am Chor vermuten. 

Die Giebel von Chor und Schiff, sowie die gesamte Traufzone und der noch mittelalterliche Turmteil in Dachhöhe zeigen Spuren von heftiger Zerstörung und nachlässigem Wiederaufbau, wahrscheinlich nach den Hussitenkriegen. Die im Protestantismus übliche Verschandelung der Dorfkirchen erfolgte in Marxdorf erst relativ spät, im 19. Jh., als die vergrößerten Fenster, die Vorhalle, das Glockengeschoss und die Kirchturmspitze gebaut wurden. Aus dieser Zeit stammt auch das Interieur mit Kanzelaltar und Emporen.

Tempelberg

Dorfkirche Tempelberg Idyllisches Ensemble
Tempelberg: Idyllisches Ensemble mit Dorfteich, Kirchhofsmauer und Dorfkirche

15 km östlich von Marxdorf befindet sich die Kirche von Tempelberg, idyllisch gelegen auf dem von einer Feldsteinmauer umgebenen alten Friedhof – am ausgedehnten Dorfanger mit großem Dorfteich. Sie ist eine dreiteilige Anlage mit auf dem (verputzten) Westgiebel nachträglich aufgesetztem Dachreiter, ein Bautypus, der in großer Anzahl im Fläming vorkommt. Die urkundliche Erwähnung als Templerbesitz und die sorgfältige Bearbeitung des Granitmauerwerks datieren auch dieses Gebäude in die Bauzeit der Komturei Lietzen.

Dorfkirche Tempelberg Staffelung der dreiteiligen Anlage. Ansicht von Nordost
Dorfkirche Tempelberg, Ansicht von Nordost. Staffelung der dreiteiligen Anlage.

Nach der Reformation erfuhr die Kirche die üblichen Veränderungen wie die Vergrößerung der Fenster, gravierender war jedoch im 19. Jh. die Niederlegung der Chor-Südwand zum Bau einer Patronatsloge. Der mit rechteckigen Fenstern versehene Anbau stört das mittelalterliche Erscheinungsbild der Templerkirche erheblich.

Dorfkirche Tempelberg Ansicht von Südost
Dorfkirche von Südost mit Anbau der Patronatsloge
Dorfkirche Tempelberg Ansicht von Nordwest
Ansicht von Nordwest
Dorfkirche Tempelberg Apsis mit Fenstern aus der Erbauungszeit
Apsis mit verändertem und zugesetztem Fenster, Spuren von Zerstörung
Dorfkirche Tempelberg Zugesetztes Rundbogenfenster in der Südwand des Schiffes
Zugesetztes Rundbogenfenster in der Südwand des Schiffes

Als Besonderheit finden wir an der Südseite dieser Kirche, neben einem in späterer Zeit veränderten Portal, einen Granitstein mit eingeritztem Jerusalemskreuz. Dieses Kreuz mit vier in die Kreuzarme eingestellten kleinen Kreuzen steht symbolisch für die fünf Wundmale Jesu und war das Wappen des Königreichs Jerusalem – endlich einmal ein Hinweis auf den Herkunftsort der Ritterorden! Die Templer besaßen eigentlich ein eigenes Wahrzeichen, das Templerkreuz, das aber in Brandenburg als Original merkwürdigerweise nirgendwo auftaucht. Bei der Neuverglasung der Apsisfenster von Tempelberg hat man in Buntglas zwei moderne Templerkreuze eingefügt.

Dorfkirche Tempelberg Jerusalemstein am zugesetzen Portal der Südfassade des Schiffs
Jerusalemstein am zugesetzen Portal der Südfassade des Schiffs
Lagiger Aufbau des exakt gequaderten Mauerwerks
Lagiger Aufbau des exakt gequaderten Mauerwerks
Dorfkirche Tempelberg Innenraum Blick nach Osten
Innenraum mit verglaster Patronatsloge
Dorfkirche Tempelberg Innenraum nördliches Apsisfenster und Epitaphe
Nördliches Apsisfenster mit Templerkreuz und Epitaphen
Dorfkirche Tempelberg Innenraum Blick nach Westen
Innenraum Blick nach Westen
Dorfkirche Tempelberg Innenraum südliches Apsisfenster und Epitaphe
Südliches Apsisfenster mit Templerkreuz und Epitaphen
Dorfkirche Tempelberg Innenraum Altar
Originaler Altartisch mit barockem Aufsatz

Abstecher nach Falkenhagen, Sieversdorf und Herzfelde

Auf der Templerroute empfehlen sich zwei Abstecher zu sehr interessanten Bauten, die aber mit dem Tempelritterorden nichts zu tun haben, Falkenhagen, Sieversdorf und Herzfelde.

Dorfkirche Falkenhagen

Dorfkirche Falkenhagen. Ehemalige Basilika, Ansicht von Nordwest.
Dorfkirche Falkenhagen. Ehemalige Basilika, Ansicht von Nordwest.

Nur 6 km südlich von Lietzen steht in Falkenhagen die größte mittelalterliche Dorfkirche Brandenburgs. Die Größe des Bauwerks lässt erkennen, dass der Lokator bei der Gründung die Erwartung hegte, hier eine Stadt von größerer Bedeutung entstehen zu lassen, was sich aber nur für kurze Zeit erfüllte, als Falkenhagen das Marktrecht erhielt. Die übrige Zeit blieb es ein Dorf mit einer viel zu großen Kirche – einer dreischiffigen Basilika im Übergangsstil von der Romanik zur Gotik. Wie auch die Templerkirchen auf dieser Route gehörte Falkenhagen zu dem kleinen, zwischen Polen und Brandenburg umstrittenen Bistum Lebus, einem der nur drei Bistümer auf dem Boden Brandenburgs und war Sitz eines der acht sedes (Sprengel).

Während aber die Bischofssitze Havelberg und Brandenburg vom Erzbistum Magdeburg aus begründet wurden, war es hier der Erzbischof von Gnesen aus dem polnischen Reich der Piasten. Das Bistum war für Jahrhunderte ein Zankapfel zwischen dem Deutschen Reich und Polen mit dem Ergebnis, dass die Kathedrale in dem kleinen Ort Lebus an der Oder mehrfach zerstört und der Bischofssitz 1373 schließlich nach Fürstenwalde verlegt wurde. Nach der Übergabe des dortigen Doms an die Protestanten 1557 endete die Geschichte des Bistums endgültig im Jahre 1598.

Dreischiffige Basilika

Umgeben von einer Feldsteinmauer steht die Dorfkirche etwas überdimensioniert auf dem Falkenhagener Friedhof. Die einst dreischiffige Basilika mit einschiffigem, langgestrecktem Chor war eine von Anfang an dreiteilig geplante Anlage mit Westturm, drei Schiffen und gerade geschlossenem Chor, der im Grundriss leicht nach Norden abknickt. Die in den unteren Lagen gut gequaderten Feldsteine, die sich um den gesamten Bau herumziehen, machen die einheitliche Planung deutlich. Durch den Abriss der Seitenschiffe ist die Kirche heute nur noch einschiffig. 

Dorfkirche Falkenhagen. Ansicht von Nordost.
Ansicht von Nordost.

Der Bau wurde im im zweiten Drittel des 13. Jh. im romanisch-gotischen Übergangsstil errichtet, erkennbar an den spitzbogigen Öffnungen im Schiff und dem gerade geschlossenen Chor. Dieser ist der älteste Teil mit ursprünglich je drei rundbogigen Lanzettfenstern im Norden und Süden sowie einer Dreifenstergruppe im Osten (zwei Lanzettfenster außen, ein später vergrößertes in der Mitte).

Dorfkirche Falkenhagen. Ostwand des Chors mit akkuratem Feldsteinmauerwerk und Dreifenstergruppe. Die äußeren Lanzettfenster sind original.
Ostwand des Chors mit akkuratem Feldsteinmauerwerk und Dreifenstergruppe. Die äußeren Lanzettfenster sind original.

Eine jetzt zugesetzte Priesterpforte befindet sich auf der Nordseite dicht am Schiff. Ein weiterer Portaldurchbruch – ebenfalls vermauert – und „gestörtes“ Mauerwerk auf der Südseite des Chors lassen eine frühere Sakristei vermuten.

Dorfkirche Falkenhagen. Chor, Südseite. Mauerwerk aus sauber gequaderten Feldsteinen, unterbrochen von einer Partie aus ungeordneten und kaum bearbeiteten Feldsteinen in der Mitte des Bildes. Hier kann man einen heute abgerissenen Sakristeianbau vermuten. Zwei zugesetzte, originale Rundbogenfenster und das Lanzettfenster stammen aus spätromanischer Zeit.
Chor, Südseite. Sauber gequadertes Mauerwerk, unterbrochen von ungeordneten und kaum bearbeiteten Feldsteinen, vermutlich Standort einer heute verschwundenen Sakristei. Zwei zugesetzte und ein originales rundbogiges Lanzettfenster stammen aus spätromanischer Zeit.
Dorfkirche Falkenhagen. Freigelegte, zugesetzte südliche Priesterpforte in der Südwand des Chors. Sie führte vermutlich in eine heute abgerissene Sakristei.
Freigelegte, zugesetzte Pforte in der Südwand des Chors. Sie führte vermutlich in eine heute abgerissene Sakristei.
Dorfkirche Falkenhagen. Chor, Nordseite. Äquivalent zur Südseite ausgeführtes Mauerwerk und Fenster, aber ohne Sakristei. Die heute zugesetzte, spitzbogige Pristerpforte liegt kurioserweise neben einer in Relikten zu erkennenden, ebenfalls zugesetzten, rundbogigen Pforte.
Chor, Nordseite. Äquivalent zur Südseite ausgeführtes Mauerwerk und Fenster und – heute zugesetzte – spitzbogige Priesterpforte.
Dorfkirche Falkenhagen. Detail der nördlichen Priesterpforte(n).
Detail der Priesterpforte, kurioserweise neben den Relikten einer ebenfalls zugesetzten, rundbogigen Pforte. (Vielleicht eine ältere, die dem neuen Fenster weichen musste).

Am ehemaligen Mittelschiff sind fünf, jetzt vermauerte, Spitzbogenarkaden mit Kämpfern noch gut sichtbar, darüber liegen fünf spitzbogige Obergadenfenster, deren Rhythmus von dem der Arkaden abweicht.

Dorfkirche Falkenhagen. Nordwand des Mittelschiffes mit fünf Arkaden und Obergadenfenstern.
Nordwand des Mittelschiffes mit fünf Arkaden und Obergadenfenstern.

Erst 1801 riss man die Seitenschiffe ab und richtete dabei große Schäden an. Solche müssen auch schon in früheren Zeiten aufgetreten sein (in den Hussitenkriegen oder dem 30jährigen Krieg), worauf die gestörte Traufzone und der verputzte Ostgiebel verweisen.

Dorfkirche Falkenhagen. Übergang von Chor zu Schiff, Nordseite. Man erkennt gestörtes Mauerwerk am Übergang zum Dach des Chors und an der Giebelwand des schiffs.
Übergang von Chor zu Schiff, Nordseite. Gestörtes Mauerwerk am Übergang zum Dach des Chors und an der Giebelwand des Schiffs.

Die Mittelschiffsarkaden vermauerte man mit dem Abbruchmaterial der Seitenschiffe. Alle ehemals innen liegenden Mauern, die zum Verputzen vorgesehen waren, sind deutlich weniger sorgfältig ausgeführt, z. B. die ehemalige Dachzone der Seitenschiffe außen am Mittelschiff von den Obergadenfenstern bis zu den Arkaden. Die ehemaligen Gemeindeportale aus den beseitigten Seitenschiffen wurden offensichtlich im Süden und Norden des jetzt einzigen Schiffs wieder eingesetzt. 

Der Turm wird in voller Breite (über Haupt- und Seitenschiffe) nur bis zur Höhe der Seitenschiffe ausgeführt, ist dann auf Mittelschiffsbreite eingezogen und offensichtlich erst viel später fertiggestellt worden. (Vergleichbares dazu findet man in Massen und Zahna). Er besitzt ein dreifach abgetrepptes, spitzbogiges Westportal, den früheren Haupteingang der Kirche.

Dorfkirche Falkenhagen. Dreifach getrepptes Westportal mit Begleitbogen
Dreifach getrepptes Westportal mit Begleitbogen
Dorfkirche Falkenhagen. Heutiger Hauptzugang in einer zugesetzten Arkade der südlichen Schiffswand.
Heutiger Hauptzugang in einer zugesetzten Arkade der südlichen Schiffswand.

Innenraum

Das flach gedeckte, karge Innere wurde kürzlich renoviert und enthält eine Orgelempore im Westen, unter der man eine (leichter beheizbare) Winterkirche vom Schiff abgetrennt hat.

Dorfkirche Falkenhagen. Blick nach Westen durch das Schiff. Unterhalb der Orgelempore befindet sich die Winterkirche.
Blick nach Westen durch das Schiff. Unterhalb der Orgelempore die abgtrennte Winterkirche.
Dorfkirche Falkenhagen. Blick entlang Hauptschiff mit spitzbogigem Triumphbogen und Chor mit Altar und zwei originalen Lanzettfenstern in der Ostwand. Die südliche (rechte) Chorwand zeigt deutlich, dass der Chor schief zum Schiff verläuft.
Hauptschiff mit spitzbogigem Triumphbogen und Chor mit zwei originalen Lanzettfenstern in der Ostwand. Die südliche (rechte) Chorwand zeigt deutlich, dass der Chor schief zum Schiff verläuft.

Die vermauerten und verputzten Arkaden besaßen ursprünglich je einen Kämpfer (eine kapitellähnliche Deckplatte) auf jedem Pfeiler, der leicht auskragt und im Innern durch den Wandputz hindurchstößt. Schiff und Chor werden durch den spitzen Triumphbogen getrennt, unter dem die Kanzel aufgestellt ist.

Dorfkirche Falkenhagen. Skulptierter Kämpfer der Säule zwischen zwei Arkaden des nördlichen Seitenschiffs.
Skulptierter Kämpfer der Säule zwischen zwei Arkaden des nördlichen Seitenschiffs. Außenbereich.
Dorfkirche Falkenhagen. Skulptierter Kämpfer der Säule zwischen zwei Arkaden des südlichen Seitenschiffs. Innenaufnahme in der Winterkirche,
Skulptierter Kämpfer der Säule zwischen zwei Arkaden des südlichen Seitenschiffs. Innenaufnahme in der Winterkirche,
Dorfkirche Falkenhagen. Südliche Scheidewand des Mittelschiffes zum ehemaligen Seitenschiff mit freigelegten Kämpfern.
Vermauerte und verputzte Arkaden zum ehemaligen Seitenschiff mit freigelegten Kämpfern.

Dorfkirche Sieversdorf

Dorfkirche Sieversdorf Ansicht von Südost
Dorfkirche Sieversdorf Ansicht von Südost
Von Rzadkowski – Selbst fotografiert, CC BY-SA 3.0

Von Falkenhagen empfiehlt sich noch ein Abstecher ins 10 km südlich gelegene Sieversdorf (bei Jacobsdorf), dessen spätromanische Feldsteinkirche aus mehreren Gründen hochinteressant ist.

Die dreiteilige Anlage besteht aus einem (nicht fertig gestellten) Westriegel, dem Schiff und der Apsis – eine Variante der mehrteiligen Anlage, die zwischen Elbe und Oder höchst selten vorkommt. Die Existenz einer Apsis belegt, dass es sich um einen Bau aus der ersten Hälfte des 13. Jh. handelt, während im Oderland und auf dem Barnim Kirchen mit flachem Ostabschluss, meistens aus der 2. Hälfte des 13. Jh., vorherrschen. Alle drei Teile wurden einheitlich aus isodomen Lagen exakt behauener Granitquadern errichtet. Im nur bis zur Dachzone des Schiffs hochgezogenen Westriegel befindet sich ein spitzbogiges Portal. Alle anderen Öffnungen des Gebäudes wurden später verändert. Der Westturm nimmt (20 cm erhöht) die Form des Kirchendachs auf und endet in einem verbretterten Dachreiter. Die erneuerte Traufzone und das unregelmäßige Mauerwerk des Ostgiebels weisen auf eine frühere Zerstörung des Daches hin.

Dorfkirche Sieversdorf Apsis mit Sternhimmel
Apsis mit Sternhimmel
Von Rzadkowski – Selbst fotografiert CC BY-SA 3.0

Im klassizistisch dekorierten Innenraum (in der Apsis ein Sternenhimmel nach Schinkels Vorbild) legte man in den 50er Jahren Wandgemälde vom Ende des 14. Jh. frei, die u. A. Adam und Eva nach der Vertreibung aus dem Paradies darstellen. Eva (mit Spindel und Wiege) und Adam (mit Ackergerät) signalisieren, dass das Leben außerhalb des Paradieses ein mühevolles und arbeitsreiches ist. Man geht davon aus, dass die ganze Kirche ausgemalt war, hat aber bisher nur diese Darstellung frei gelegt.

Dorfkirche Sieversdorf Wandmalerei
Wandmalerei Adam und Eva bei der Arbeit
Von Rzadkowski – Selbst fotografiert, CC BY-SA 3.0

Die größte Kuriosität in der Kirche ist der gotische Schnitzaltar, der – aus ganz unterschiedlichen Teilen verschiedener Stilepochen zusammengesetzt – in den 50er Jahren in die Sieversdorfer Kirche verbracht wurde. Die zwölf Apostel aus den Seitenflügeln gehörten ursprünglich zu einer Darstellung heiliger Jungfrauen von Anfang 1400, die für die neue – protestantische – Bestimmung umgeschnitzt und mit Bärten, Attributen und neuer Kleidung ausgestattet wurden. Dennoch können Johannes, Thomas und Paulus ihre weibliche Körperhaltung nicht verleugnen. Das Altarbild mit einem gemalten Auferstandenen, flankiert von den Figuren der Heiligen Christophorus und Georg ist etwas jünger als die Jungfrauen/Apostel.

Dorfkirche Sieversdorf Altar mit "diversen" Aposteln
Altar mit „diversen“ Aposteln
Von Rzadkowski – Selbst fotografiert CC BY-SA 3.0

Dorfkirche Herzfelde bei Rüdersdorf

Auf dem Rückweg von Tempelberg nach Berlin empfiehlt sich ein weiterer Halt in Herzfelde, wo sich ein herausragendes Beispiel für den spätromanischen Kirchenbau auf dem Barnim befindet, historisch interessant durch seine Verbindung zum dem 93 km entfernten Kloster Zinna.

Die Herzfelder Kirche aus der Mitte des 13. Jh., ein Feldsteinbau aus regelmäßig geschichteten, an den Ecken besonders akkurat behauenen Quadern, steht an der viel befahrenen Bundesstraße 1/5 – wie eh und je auf dem alten Dorfanger. Auf dessen Ostseite befindet sich ein Kriegerdenkmal von 1920 für die Gefallenen des Ersten Weltkrieges, zu denen man an dieser Stelle merkwürdiger Weise auch die zu Tode gekommenen Teilnehmer des Kapp-Putsches zählt, der sich gegen die Demokratie der Weimarer Republik richtete.

Dorfkirche Herzfelde Ansicht der vierteiligen Anlage von Südost
Dorfkirche Herzfelde. Ansicht der vierteiligen Anlage von Südost

Vierteilige Anlage

Zur Gründungszeit ein besonders großes Dorf, besitzt Herzfelde eine stattliche vierteilige Kirche mit hohem Turm, Schiff, Chor und Apsis. Obwohl die Kirchen auf dem Barnim meistens einen gerade geschlossenen Chor besitzen, war sie von Anfang an vierteilig geplant. Jedoch wurden nicht alle Teile gleichzeitig errichtet; wie üblich begann man mit Chor und Apsis, bevor das Langhaus und der Turm hochgezogen wurden. Das ist an der Verwendung von runden Bögen in ersterem Bereich zu erkennen, an der beseitigten Priesterpforte im Chor und besonders gut an dem vermauerten mittleren Rundbogenfenster der Apsis, während alle anderen Öffnungen in den späteren Teilen des Gebäudes (soweit erhalten oder rekonstruierbar) spitzbogig sind.

Dorfkirche Herzfelde Zugesetzte südliche Priesterpforte
Zugesetzte südliche Priesterpforte
Dorfkirche Herzfelde Im 19. Jh. errichtete Tür in der Apsis. Oberhalb Relikte des zugesetzten romanischen Rundbogenfensters.
Kurios: Im 19. Jh. errichtete Tür in der Apsis. Darüber Relikte des zugesetzten romanischen Rundbogenfensters.

Der mächtige Westriegel mit Satteldach wird aus Gründen der Statik durch drei massive, ungleichmäßig angeordnete Strebepfeiler gestützt, eine offensichtlich spätere Zutat aus der Zeit nach den Hussitenkriegen oder dem 30jährigen Krieg, als die Kirche schwer beschädigt wurde, wie man auch an den nachlässig wieder aufgemauerten Giebeln von Schiff und Chor sowie an der erneuerten Traufzone erkennen kann.

Dorfkirche Herzfelde Westriegel mit Stüzupfeilern
Westriegel mit Stützpfeilern

Das Glockengeschoss des Querriegels enthält die einzigen unveränderten Fenster, nämlich zwölf hohe spitzbogige Schallöffnungen, je 4 im Osten und Westen, je 2 im Norden und Süden. Im Nord- und Südgiebel befinden sich, ein Stockwerk höher, zwei weitere, aber deutlich jüngere.

Dorfkirche Herzfelde südliche Spitze des Turms
Südliches Glockengeschoss
Dorfkirche Herzfelde nördliche Spitze des Turms
Nördliches Glockengeschoss
Dorfkirche Herzfelde Chor, Schiff und Turm Nordseite
Chor, Schiff und Turm Nordseite
Dorfkirche Herzfelde Südfassade des Chors mit zugesetzter Priesterpforte
Südfassade des Chors mit zugesetzter Priesterpforte

Sühnekreuz

In einer Ecke zwischen Schiff und Chor steht auf der Nordseite ein Sühnekreuz, ähnlich dem vor der Berliner Marienkirche. Im Mittelalter dienten solche Kreuze der Sühne eines Totschlags. Für den Fall, dass jemand im Streit oder absichtslos zu Tode kam, war der Täter oder seine Familie verpflichtet, solch ein Kreuz zu errichten, an dem das Totengebet gesprochen werden konnte – als Kompensation für die dem Opfer entgangenen Sterbesakramente. Ein am Sühnekreuz befestigtes Ewiges Licht forderte die Vorbeigehenden zum Gebet auf, wobei es die Pflicht des Täters war, auch die Flamme am Brennen zu halten. Das gotische Herzberger Sühnekreuz weist noch die sehr gut erhaltene Lampennische auf.

Dorfkirche Herzfelde Gotisches Steinkreuz an der Nordwand des Chors
Gotisches Sühnekreuz an der Nordwand des Chors

Eigentum des Klosters Zinna

Von 1235 bis 1539 gehörten Kirche und Ort Herzfelde den Mönchen des Zisterzienserklosters Zinna, zusammen mit den Kalksteinbrüchen von Rüdersdorf und einer Reihe anderer Dörfer auf dem Barnim. Ob die Dorfkirche durch die Einwohner des reichen Dorfes oder die Klosterbrüder von Zinna errichtet wurde, ist schwer zu entscheiden, waren jene doch zur Bauzeit von Herzfelde mit dem Aufbau ihrer eigenen Kirche und Abtei beschäftigt. (Zu dem großen Projekt im Fläming wären dann auch noch die Dorfkirchen auf dem Barnim in Rüdersdorf, Herzfelde, Klosterdorf und Hönow gekommen – eine selbst für das wohlhabende Kloster kaum zu bewältigende Aufgabe). Mit der Einführung der Reformation, der Aufhebung der Klöster und der Einziehung ihres Besitzes durch den Landesherrn war der Einfluss von Zinna in Herzfelde beendet.

Umbauten

Nach den erwähnten Bau- und Reparaturmaßnahmen aufgrund des Einfalls der Hussiten oder des 30jährigen Krieges gab es erst wieder welche im 19. Jh., als das Westportal und sämtliche Fenster von Schiff und Chor spitzbogig erweitert wurden. Kurioserweise brach man dabei unter dem zugemauerten mittleren Apsisfenster eine neue Tür ein. Auf der Südseite des Schiffs fallen Spuren auf, die auf die Beseitigung des alten Gemeindeportals und der Priesterpforte verweisen.

Inneres

Das nüchterne Innere enthält nach der Renovierung des 19. Jh. nur noch wenige alte Ausstattungsstücke, so im Turmdurchgang einen Grabstein von 1696 für die Stifterin eines Abendmahlkelches und einen romanischen Taufstein, der aus einem einzigen Kalksteinblock gefertigt ist. Aus den Bauakten geht hervor, dass der Triumphbogen um 1902 verändert wurde, so dass Zweifel aufkommen, ob der jetzt vorhandene Rundbogen original ist – nach dem Baubefund müsste er spitzbogig sein. Der Chor aber besitzt ein Kreuzgratgewölbe, das mit ziemlicher Sicherheit noch aus der Erbauungszeit stammt.

Infobox


Empfohlene Route

Weblinks

Lietzen

Komturei Lietzen: https://www.komturei-lietzen.de/

Neuentempel

Förderkreis Alte Kirchen Berlin-Brandenburg e.V.: Dorfkirche Neuentempel

Tempelberg

Förderkreis Alte Kirchen Berlin-Brandenburg e.V.: Dorfkirche Tempelberg

Sieversdorf

Gutshaus Sieversdorf (erbaut um 1700), Hotel und Ferienwohnungen

Gutshaus Sieversdorf (um 1700), Sammlung Duncker, gemeinfrei
Gutshaus Sieversdorf, Sammlung Duncker, gemeinfrei

Orgelwerkstatt Scheffler (bietet Werkstattführungen an)