Liebfrauenkirche und St. Jakobi, Jüterbog

Die Stadt wird erstmals im Jahre 1007 in einer Chronik von Bischof Thietmar von Merseburg als „Jutriboc“ erwähnt. Thietmar, der Geschichtsschreiber der Ottonen, befand sich damals auf einer Expedition in die feindlichen Slawenlande östlich der Elbe und muss den Ort als slawische Verteidigungsanlage (Burgwall) wahrgenommen haben. Ob auch der Ortsname slawisch ist oder von den Slawen aus einem alten germanischen Namen umgeformt wurde, spielt heute in der Geschichtsschreibung keine so bedeutende Rolle mehr wie noch im 19. Jh., wo man die germanische Vergangenheit Brandenburgs hoch- und die slawische herunterstilisierte.

Für 150 Jahre schweigen nach dieser Erwähnung die geschichtlichen Quellen, bis Albrecht der Bär 1157 die nachhaltige Besitznahme des Landes östlich der Elbe in Angriff nahm. Das geschah in Konkurrenz zu anderen weltlichen und geistlichen Fürsten, wie Erzbischof Wichmann von Magdeburg, der im Raum Jüterbog eigene Interessen verfolgte. Er etablierte eine stiftsmagdeburgische Exklave zwischen den beiden askanischen Besitztümern Mark Brandenburg im Norden und dem Herzogtum Sachsen im Süden, Jüterbog machte er zu einem deutschen Burgward. (Die Burg ist heute verschwunden und nur der Name „Schlossberg“ erinnert noch an ihren Standort). Als Hauptkirche des Jüterboger Raumes begründete er 1161 die Marienkirche, die zweitälteste Kirche im Gebiet zwischen Elbe und Oder. Von ihr sind Reste in der heutigen Liebfrauenkirche verbaut.

Liebfrauenkirche Jüterbog Skulptur des Erzbischofs Wichmann
Skulptur des Erzbischofs Wichmann, vor dem gotischen Chor der Liebfrauenkirche.

Jüterbogs frühes Stadtrecht

Der Burgward entwickelte sich schnell zum Fernhandelszentrum, da sich unweit der Liebfrauenkirche die Fernstraßen Magdeburg – Frankfurt (Oder) – Stettin und Leipzig – Wittenberg – Berlin kreuzten. Um sein Territorium weiter zu entwickeln, berief Wichmann im Jahr 1170 Zisterziensermönche aus Altenberg bei Köln und siedelte sie im nahe gelegenen Zinna an. Schon 1174 wurde Jüterbog das Stadtrecht verliehen, es ist das zweitälteste des heutigen Landes Brandenburg. In der Urkunde wird die Stadt als Ausgangspunkt und Haupt der „provincia Iutterbogk“ bezeichnet. Dieses Gebiet umfasste das Kloster Zinna sowie die Städte Luckenwalde und Trebbin und erstreckte sich nach Norden bis zum Seddiner See vor den Toren Potsdams. Jedoch erschütterten im Jahre 1179 Auseinandersetzungen zwischen Slawen und Siedlern das erzbischöfliche Territorium, wobei die Mönche das Kloster Zinna verließen und nach Jüterbog flüchteten.

Nach dem Ende der Unruhen verlegten die Stadtbürger das Ortszentrum weg von der erzbischöflichen Burg direkt an die Kreuzung der beiden Fernstraßen. Dort entstand ein großer Marktplatz, der ausschließlich dem Fernhandel diente. Unweit davon errichteten sie zur Zeit der Gotik die mächtige Stadtkirche, die als Patron den Schutzheiligen der Kaufleute, den heiligen Nikolaus, erhielt. Die neue Siedlung wurde zunächst mit einer Befestigung aus einem mit Grundwasser gefüllten Graben und einem Erdwall umgeben, der um 1200 mit Holzpalisaden und Tortürmen versehen wurde. Erst um 1300 entstand die massive Stadtmauer mit den drei Haupttoren (Dammtor, Zinnaer Tor und Neumarkttor). Als weitere gotische Bauten des Mittelalters entstanden der Klosterhof von Zinna, das Rathaus und die Franziskanerkirche.

Jüterbog mittelalterliches Dammtor
Jüterbog, mittelalterliches Dammtor
Jüterbog Teile der Stadtmauer
Jüterbog, Teile der Stadtmauer

Liebfrauenkirche (Marienkirche)

Liebfrauenkirche Jüterbog Ansicht von Südwest
Liebfrauenkirche Jüterbog, Ansicht von Südwesten. Reste der romanischen Feldsteinfassade.

Die1174 eingeweihte Marienkirche war als geistliches Zentrum des erzbischöflichen Territoriums großzügig geplant: Eine kreuzförmige Basilika mit Turm, Querschiff und Apsis . Doch scheint auch sie (wie die Klosterkirche Zinna) bei den Unruhen 1179 in Mitleidenschaft gezogen worden zu sein, denn das Baumaterial wechselt von Feldstein an der Fassade auf Backstein im Schiff und Querhaus. Die Stilformen des Backsteinbaus mit gedrückten Spitzbögen weisen eher auf eine Fertigstellung im ersten Viertel des 13. Jh. hin. Auch geriet die Bedeutung der Kirche durch den Bau der Stadtmauer und die Verlegung des Stadtzentrums ins Hintertreffen, weil sie jetzt außerhalb, in der so genannten Dammvorstadt lag.

Liebfrauenkirche Jüterbog Arkaden des abgerissenen südlichen Seitenschiffs
Arkaden des abgerissenen südlichen Seitenschiffs
Liebfrauenkirche Jüterbog zugesetzte Rundbogenfenster in der Nordwand des Schiffs
Zugesetzte Rundbogenfenster in der Nordwand des Schiffs, das geöffnete ist späteren Datums
Liebfrauenkirche Jüterbog Portal im südlichen Querschiff
Romanisches Portal am südlichen Querschiff
Liebfrauenkirche Jüterbog Mit Deutschem Band verziertes Rundfenster in der Westfassade
Mit Deutschem Band verziertes, backsteinernes Rundfenster in der Westfassade aus Feldstein.
Liebfrauenkirche Jüterbog Nördliches Schiff und Querschiff
Abgerissenes nördliches Seitenschiff und Querschiff
Liebfrauenkirche Jüterbog Nordfassade des Schiffs mit originalen Rundbogenfenstern und Relikten des abgerissenen Seitenschiffs
Nordwand des Hauptschiffs mit originalen Rundbogenfenstern und zugesetzten Arkaden
Liebfrauenkirche Jüterbog Portal im Südschiff
Neuzeitliches Portal an der Südwand des Hauptschiffs
Liebfrauenkirche Jüterbog Rundbogenfries an der Südfassade des Querschiffs
Rundbogenfries im Giebel der Südfassade des Querschiffs

Diesen Bedeutungsverlust versuchte der bischöfliche Landesherr 1282 durch die Gründung eines Zisterzienserinnenklosters „Zum Heiligen Kreuz“ zu kompensieren, in das die Liebfrauenkirche einbezogen wurde. Dennoch blieb sie aber auch Pfarrkirche der Dammvorstadt. Bei den Umbauten verzichtete man auf den Bau des ursprünglich vorgesehen (im Grundriss erahnbaren) Turms im Westen, weil Zisterzienserkirchen turmlos sein sollen. An seiner Stelle ist im Innern eine Nonnenempore oder der den Laien vorbehaltene Raum der Klosterkirche denkbar. Spuren davon existieren nicht mehr, abgesehen von zwei Pilastern im westlichen Teil des Schiffs (heute Winterkirche). Nach Brauch der Zisterzienser wurde über der Vierung ein Dachreiter errichtet und man baute eine gotische Klausur an die romanische Kirche an. Etwa um 1480 kam ein spätgotischer Chor hinzu.

Liebfrauenkirche Jüterbog Ansicht von Südost
Liebfrauenkirche Jüterbog, Ansicht von Südosten mit spätgotischem Chor. Davor der Friedhof mit sowjetischen Kriegsgräbern.

Von der Reformation bis heute

Nach der Reformation hob man das Kloster 1557 auf und riss nicht mehr benötigte Bauteile ab, lediglich der nördliche Klausurflügel blieb erhalten. Die Liebfrauenkirche wurde zur evangelischen Gemeindekirche. Wegen der entfallenden Einkünfte des Klosters fehlte das Geld für ihren Unterhalt und der Verfall begann. 1571 trug man den baufälligen Dachreiter ab und errichtete stattdessen ein hölzernes Glockenhaus neben der Kirche. Auch die beiden Seitenschiffe mussten 1798 abgerissen werden, weil keine Mittel für die Renovierung zur Verfügung standen. Man vermauerte die Arkaden des Schiffes und versah sie mit korbbogigen Fenstern. Erst ab Ende des 19. Jh. erkannte man den Wert des Bauwerks wieder und es erfolgten erste Restaurierungsmaßnahmen: 1890 Generalrenovierung und Neubau des Turms, 1936/38 die Bemalung der flachen Holzdecke nach alten Vorlagen und in den Jahren 2000 bis 2005 die Sanierung des Äußeren mit Neueindeckung der Dächer.

Inneres

Das weiß verputzte Innere der Liebfrauenkirche orientiert sich am ursprünglichen Erscheinungsbild. So sind die Arkaden des Mittelschiffs noch gut zu erkennen, weil die Wandstärke der Vermauerung viel geringer ist als die der Pfeiler. Auch die (hier sehr dünn ausgefallenen) Kämpferplatten auf den Pfeilern sind noch gut sichtbar. Die an alten Vorbildern orientierte Bemalung der Deckenbretter unterstreicht den feierlichen Raumeindruck eines romanischen Kirchenschiffs. Besonders eindrucksvoll wirkt die mit vier großen (auf halbrunden Pilastern stehenden) Bögen ausgeschiedene Vierung. Die Kanzel und die Taufe stammen aus der Renaissance und die 1737 vom Berliner Orgelbauer Joachim Wagner geschaffene Orgel aus dem Barock, ansonsten enthält der Innenraum nur noch wenig Altes.

Liebfrauenkirche Jüterbog Innenansicht Schiff nach Westen
Innenansicht Schiff nach Westen
Von Membeth – Eigenes Werk, CC0

Grundriss

Jüterbog Liebfrauenkirche. Grundriss nach Georg Dehio, gemeinfrei.
Jüterbog Liebfrauenkirche. Grundriss nach Georg Dehio, gemeinfrei. Romanische Bauteile schwarz, gotische schraffiert.

Die Kirchen der beiden benachbarten Dörfer, die jetzt zu Jüterbog gehören, Neumarkt und Werder, stammen noch aus der Romanik.

St. Jakobi, Neumarkt

Nordansicht der Kirche St. Jacobi auf dem Neumarkt in Jüterbog
Nordansicht der Kirche St. Jakobi auf dem Neumarkt in Jüterbog. Zeichnung aus „Inventar der Bau- und Kunstdenkmäler der Provinz Brandenburg“ von R. Bergau, Berlin 1885, Vossische Buchhandlung, gemeinfrei

Da der Marktplatz von Jüterbog für den Fernhandel vorgesehen war, hielt man den lokalen Markt im direkt benachbarten Dorf Neumarkt ab. Die im Jahre 1218 erstmals erwähnte Dorfkirche ist wohl auch um diese Zeit entstanden; wie viele andere Vorstadtkirchen ist sie dem Heiligen Jakobus geweiht. Der romanische Feldstein-Quaderbau zeigt die für den Fläming charakteristische dreiteilige Form: Halbrunde Apsis, Chor und Langhaus, hier mit erhöhtem Chor und originalen, leicht spitzbogigen Fenstern. Hinzu kommt ein hölzerner Dachreiter auf der Westseite.

Jüterbog St. Jakobi Neumarkt Ansicht von Nordost
Ansicht von Nordost
Jüterbog St. Jakobi Neumarkt Westportal
Westportal
Jüterbog St. Jakobi Neumarkt leicht verändertes Fenster in der Südwand des Schiffes
Leicht verändertes Fenster in der Südwand des Schiffes
Jüterbog St. Jakobi Neumarkt Ansicht von Südost
Ansicht von Südost
Jüterbog St. Jakobi Neumarkt Portal Schiff Südseite
Portal in der Südwand des Schiffes
Jüterbog St. Jakobi Neumarkt Apsis und Sakristei
Apsis und Sakristei
Jüterbog St. Jakobi Neumarkt Schiff Nordseite
Schiff Nordseite mit drei originalen Rundbogenfenstern
Jüterbog St. Jakobi Neumarkt originale Fenster in der Nordwand von Schiff und Chor
Originale Fenster in der Nordwand von Schiff und Chor
Jüterbog St. Jakobi Neumarkt originale Fenster in der Nordwand des Chors
Originale Fenster in der Nordwand des Chors

1725/26 wurde dieser durch den heutigen Glockenturm ersetzt, der eine massive Wetterseite und drei Seiten mit ausgemauertem Fachwerk sowie einen Glockenstuhl für drei Glocken besitzt. Das Innere mit seiner tonnengewölbten Barockdecke und der Einrichtung aus der gleichen Zeit bewahrt noch ein schönes mittelalterliches Triumphkreuz.

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